Gemeinsame Verhaltensrichtlinien zum Schutz von Minderjährigen in audiovisuellen Angeboten aus Österreich

Stand: August 2021

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> Liste der Anbieter, die gegenüber JMS erklärt haben, die JMS-Verhaltensrichtlinien einzuhalten und die Verfahrensordnung anzuerkennen

Struktur

  1. Einleitung

1.1.       Ausgangspunkt

1.2.       Die Ziele der Verhaltensrichtlinien

  1. Das Jugendschutzsystem in audiovisuellen Medien – Struktur und Maßnahmen

2.1.       Struktur des Jugendmedienschutzes in Abhängigkeit von Inhalten und Angebotsformen

2.1.1.    Stufe 1 – Grundregeln für potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte

2.1.2.    Stufe 2 – Sonderregeln für potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte: Kennzeichnung
und Hinweise

2.1.3.    Stufe 3 – Regelungen zu ernsthaft entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten

2.2.       Alterseinstufungen

2.3.       Das Informationssystem in Grundzügen

2.4.       Verhaltensrichtlinien zum Kinder- und Jugendschutz im Fernsehen

2.4.1.    Bewertung und Einstufung der Programminhalte

2.4.2.    Empfohlene Sendezeitgrenzen

2.4.3.    Das Informationssystem

2.4.3.1       Kennzeichnung, Altershinweis und Gefährdungshinweis

2.4.3.2       Zusätzliche Informationen

2.5.       Richtlinien zum Kinder- und Jugendschutz für Abrufdienste

2.5.1.    Überblick über die Pflichten von Anbietern von Abrufdiensten

2.5.2.    Allgemeine Grundsätze für Abrufdienste

2.5.2.1       Umsetzungsbeispiel: Zugangscode-gesichertes Kontrollsystem

2.5.2.2       Umsetzungsbeispiel: System der Abrufzeitgrenzen

2.5.3.    Besondere Informationspflichten für Abrufdienste

2.5.3.1       Grundstruktur des Informationssystems für Abrufdienste

2.5.3.2       Ausgestaltung des Informationssystems für Abrufdienste

2.5.3.3       Zusätzliche Jugendschutz-Informationen im Rahmen von Abrufdiensten

2.5.4.    Angebot ernsthaft entwicklungsgefährdender Inhalte im Rahmen von Abrufdiensten

2.6.       Kinder- und Jugendschutz im Rahmen von Video-Sharing-Plattform-Angeboten

  1. Das Einstufungssystem (Inhalte und Alterseignung)

3.1.       Einleitung

3.2.       Zielsetzung

3.3.       Zu den einzelnen Altersstufen

3.3.1.    Altersstufe „ab 0“ – für Kinder/Minderjährige jeden Alters geeignet

3.3.2.    Altersstufe „ab 6“ – für Kinder/Minderjährige ab 6 Jahren geeignet

3.3.3.    Altersstufe „ab 12“ – für Minderjährige ab 12 Jahren geeignet

3.3.4.    Altersstufe „ab 16“ – für Minderjährige ab 16 Jahren geeignet

3.3.5.    Altersstufe „ab 18“ – nicht für Minderjährige geeignet 

3.4.       Risikofaktoren und ihre Wirkung auf Kinder und Jugendliche

3.4.1.    Gewalt

3.4.2.    Übermäßige Angst

3.4.3.    Desorientierung

3.4.4.    Sexualität und Geschlechterbeziehungen

  1. Rechtsgrundlagen

4.1.       AVMD-RL 2018 – Erwägungsgründe

4.2.       AVMD-RL 2018 – Art 6a

4.3.       AVMD-RL 2018 – Art 4a

4.4.       § 39 AMD-G – Schutz Minderjähriger

4.5.       § 54d AMD-G – Verbotene und schädliche Inhalte 

4.6.       § 54e AMDG – Geeignete Maßnahmen

4.7.       § 62a AMD-G – Ausschluss eines Rechtsaufsichtsverfahrens

4.8.       § 10a ORF-G – Schutz Minderjähriger

4.9.       § 32a KOG – Einrichtungen der Selbstkontrolle

4.10.     § 32b KOG – Förderung der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger

1.            Einleitung

 

1.1.       Ausgangspunkt

 

Die EU-Richtlinie 2018/1808 zur Änderung der Mediendienste-Richtlinie 2010/13 weitet das bisher für Fernsehveranstalter verbindliche System zum Schutz Minderjähriger vor entwicklungsbeeinträchtigenden audiovisuellen Inhalten auf Anbieter von Abrufdiensten und teilweise auf Video-Sharing-Plattformen aus. Das bestehende Schutzsystem wird um die Anforderung ergänzt, Zuseher:innen ausreichende Informationen zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ermutigt die EU-Richtlinie die Mitgliedstaaten, die Umsetzung des Jugendschutzsystems einer branchenweit repräsentativen Einrichtung der Selbstregulierung zu überantworten.[2]

 

Durch Änderungen des Audiovisuelle Mediendienste-Gesetzes (v.a. § 39 und §§ 54d, e AMD-G), des ORF-Gesetzes (§ 10a ORF-G) und des KommAustria-Gesetzes (§§ 32a, b KOG) trägt der österreichische Gesetzgeber den Anforderungen der EU-Richtlinie Rechnung (siehe dazu die ErlRV 462 BlgNR 27. GP zu Z 39 zur Umsetzung der RL). Die Umsetzung und Überprüfung der Einhaltung des Jugendschutzsystems wird auf Basis der Zielsetzung der EU-Richtlinie einer Selbstkontrolleinrichtung überantwortet. Die Wirksamkeit des Selbstregulierungssystems unterliegt der nachprüfenden Kontrolle durch die KommAustria.

 

Der Fachverband der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen in der Wirtschaftskammer Österreich als gesetzliche Interessenvertretung von Anbietern audiovisueller Mediendienste hat gemeinsam mit dem Österreichischen Rundfunk (ORF) als öffentlich-rechtlichem Rundfunkanbieter und dem Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) als freiwilliger Interessenvertretung von Anbietern audiovisueller Mediendienste den Verein zur Selbstkontrolle audiovisueller Medienangebote zum Schutz von Minderjährigen gegründet. Der Zweck des Vereins besteht darin, die Organisation der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger vor Inhalten in audiovisuellen Mediendiensten, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, bereitzustellen und insbesondere einheitliche Verhaltensrichtlinien im Sinne der einschlägigen Regelungen des AMD-G, des ORF-G und des KOG zu erstellen, deren Einhaltung zu überwachen sowie regelmäßig über die Einhaltung der Jugendschutzbestimmungen zu informieren.

 

In einer Zeit immer stärker zunehmender medialer Durchdringung der Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen erfordert der Schutz vor möglichen negativen Medieneinflüssen das Engagement möglichst aller Beteiligten. Mediendiensteanbieter tragen eine besondere Verantwortung für die Beibehaltung eines „sicheren Hafens“ im Jugendschutz, auch wenn weder sie noch Eltern oder technische Sicherungssysteme allein einen wirksamen Schutz von Minderjährigen gewährleisten können. Wirksamer Schutz von Kindern und Jugendlichen vor potentiell entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten setzt das Zusammenwirken aller relevanten Akteur:innen voraus.

 

Diese Ausgangsprämisse ist den Verhaltensrichtlinien des Vereins zur Selbstkontrolle audiovisueller Medienangebote zugrunde gelegt. Die in den Verhaltensrichtlinien beschriebenen Maßnahmen können nur dann voll wirksam werden, wenn Eltern und sonstige Erziehungsberechtigte an ihrer Umsetzung im Alltag mitwirken.

 

1.2.       Die Ziele der Verhaltensrichtlinien

 

Gemäß der Vorgaben der Union und des österreichischen Gesetzgebers zielen die gegenständlichen Verhaltensrichtlinien darauf ab, ein österreichweit einheitliches und wirksames System für den Schutz von Minderjährigen vor potentiell entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten in audiovisuellen Angeboten (Rundfunk, Abrufdienste) zu etablieren, das für die Zuseher:innen, insbesondere für Minderjährige und Erziehungsberechtigte, leicht verständlich ist und das von möglichst allen Anbietern audiovisueller Angebote akzeptiert und umgesetzt wird.

 

Die Richtlinien erfüllen die gesetzlichen Voraussetzungen bestmöglich, indem sie einheitliche Vorgaben für den Schutz von Minderjährigen im Rahmen audiovisueller Angebote festlegen. Soweit Anbieter auf freiwilliger Basis ein höheres Schutzniveau bereitstellen wollen, machen die Richtlinien Empfehlungen dafür, wie dies in ebenfalls möglichst einheitlicher Form erfolgen kann. Auf diese Weise wird eine möglichst hohe Akzeptanz der Richtlinien unter den Anbietern audiovisueller Dienste in Österreich sichergestellt.

 

Eine möglichst hohe Akzeptanz der Richtlinien ist ein besonderes Anliegen, weil das Befolgen eines einheitlichen Systems keine verbindliche gesetzliche Vorgabe für den einzelnen Anbieter ist und die Einführung neuer bzw. die Änderung bestehender betrieblicher Prozesse von Mediendiensteanbietern zu hohen einmaligen und laufenden Zusatzkosten führen kann, die der Akzeptanz der Richtlinien und der Einführung bundesweit einheitlicher Maßnahmen entgegenwirken. Die Gründungsmitglieder des Vereins sind davon überzeugt, dass nur ein hoher Grad der Vereinheitlichung des Systems der Zielsetzung eines leicht verständlichen und wirksamen Jugendschutzsystems in Österreich gerecht werden kann.

 

Die Richtlinien berücksichtigen die gelebte Praxis des Minderjährigenschutzes, insbesondere im Rundfunkbereich, und bauen auf dieser auf. Dies betrifft vor allem Fragen der Wahl der Sendezeit und der Zeitzonen, zu der potentiell beeinträchtigende Inhalte gezeigt bzw. nutzbar gemacht werden, sowie etablierte Praktiken von akustischen und/oder optischen Kennzeichnungen.

 

Die Basis für die gegenwärtig praktizierte zeitzonenbasierte Programmierung österreichischer Rundfunkveranstalter sind in aller Regel Alterseinstufungen, die von Expert:innengremien des Jugendschutzes, wie insbesondere der im Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung angesiedelten Jugendmedienkommission (JMK), der deutschen Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK), sowie der deutschen Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) empfohlen werden.

 

Da österreichische Zuseher:innen über die gängigen Verbreitungswege (Kabel/IP-TV, Satellit sowie Online) nicht nur österreichische Fernsehprogramme, sondern u.a. auch deutsche Fernsehprogramme empfangen und konsumieren, wurde bei der Erstellung der Richtlinien auch darauf Wert gelegt, etablierte Praktiken des Minderjährigenschutzes in Deutschland, soweit sinnvoll, zu berücksichtigen.

 

Gerade im fiktionalen Bereich (Spielfilme, Serien) bieten die JMK- und vor allem die FSK-Alterseinstufungen eine für die Gewährleistung eines wirkungsvollen Jugendschutzes hochprofessionelle Informationsquelle über den potentiellen Gefährdungsgehalt von Inhalten für die Entwicklung junger Menschen. Die Orientierung der vorliegenden Richtlinien an den Bewertungsschemata und Einstufungen der JMK und der FSK und die Orientierung an den FSF-Richtlinien, zusätzlich zu den Prüfkriterien zur Alterskennzeichnung der JMK (siehe dazu unten Pkt. 3), ist insoweit naheliegend und zielführend zugleich.

 

Jugendschutz ist ein integraler Bestandteil der täglichen Arbeit der österreichischen Anbieter von Fernsehprogrammen und Abrufdiensten. Die Ziele und Anforderungen des Jugendschutzes fließen in die inhaltliche Gestaltung eigenproduzierter Programminhalte ebenso selbstverständlich mit ein, wie sie natürlicher Bestandteil einer verantwortungsbewussten Programmarbeit (Fernsehprogrammierung und/oder Abrufkatalogerstellung) sind.

 

Das mit diesen Richtlinien harmonisierte System der Selbstkontrolle unterstützt die Programm- und Angebotsverantwortlichen der österreichischen Anbieter dabei, einen wirksamen Jugendschutz für ihre audiovisuellen Angebote sicherzustellen.

 

 

 

2.            Das Jugendschutzsystem in audiovisuellen Medien – Struktur und Maßnahmen

 

2.1.       Struktur des Jugendmedienschutzes in Abhängigkeit von Inhalten und Angebotsformen

 

Der österreichische Gesetzgeber hat im AMD-G bzw. im ORF-G folgende Systematik des Jugendmedienschutzes vorgegeben:

 

2.1.1.  Stufe 1 – Grundregeln für potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte

 

Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, dürfen von Mediendiensteanbietern (das sind: Fernsehveranstalter und Abrufdiensteanbieter) nur so bereitgestellt werden, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden können. Die Anbieter haben somit mit zumutbarem Aufwand dafür zu sorgen, dass diese Inhalte möglichst („üblicherweise“) nicht von Minderjährigen konsumiert werden können.

 

Fernsehveranstalter kommen dieser Anforderung jedenfalls durch die Wahl der Sendezeit nach, weil sie davon ausgehen können, dass unter Zugrundelegung eines durchschnittlich hohen Verantwortungsbewusstseins der Eltern Minderjährige zu den gewählten Zeiten nicht mehr zusehen (dürfen). Andere geeignete Maßnahmen der Zugangskontrolle umfassen die Verwendung eines mit einem Zugangscode gesicherten Systems oder Altersverifikationstools.

 

Anbieter von Abrufdiensten haben durch geeignete Maßnahmen ein diesen Sendezeiten vergleichbares Schutzniveau sicherzustellen. Sie können also das geforderte Schutzniveau ebenfalls über die Wahl der Tageszeit, in der sie potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte zugänglich machen, herstellen, oder aber andere geeignete Maßnahmen ergreifen.

 

Potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte, die nicht verboten sind, aber als besonders schädlich zu qualifizieren sind, wie etwa die unreflektierte Darstellung sexueller Handlungen (sog. Hardcore-Pornografie und andere pornografische Darstellungen unterhalb der Schwelle strafrechtlich relevanter Inhalte) dürfen nur bereitgestellt werden, wenn durch Maßnahmen wie Altersverifikationssysteme oder vergleichbare Maßnahmen der Zugangskontrolle sichergestellt ist, dass Minderjährige diese Inhalte üblicherweise nicht verfolgen können.

 

Von diesen Verpflichtungen ausgenommen sind Nachrichtensendungen und Sendungen zur politischen Information.

 

2.1.2.  Stufe 2 – Sonderregeln für potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte: Kennzeichnung und Hinweise

 

Kennzeichnung

 

Werden Sendungen, die üblicherweise von Minderjährigen nicht verfolgt werden sollten, in Sendezeiten, die für die Programmierung derartiger Sendungen aus Jugendschutzsicht weniger gut geeignet sind, frei zugänglich gemacht, so ist dieser Umstand von Rundfunkveranstaltern durch „akustische Zeichen anzukündigen“ oder „durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen“ (§ 39 Abs 2 AMD-G). Für Sendungen/Programme, die „verschlüsselt“ iSd § 39 Abs. 2 AMD-G ausgestrahlt werden, besteht diese Verpflichtung nicht.

 

Für den ORF als öffentlich-rechtlichen Veranstalter gilt die strengere Regel, wonach dieser Umstand durch „als Warnhinweis identifizierbare akustische Zeichen und durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen“ ist (§ 10a Abs. 3 ORF-G).

 

Eine Verpflichtung zur Kennzeichnung besteht für Abrufdienste nicht.

 

 

Hinweise

 

Von der Kennzeichnungspflicht zu unterscheiden sind die neuen Regeln über die Information des Publikums durch „Hinweise“ (§ 39 Abs. 4 AMD-G). Diese neue Anforderung besteht für Veranstalter und Abrufdiensteanbieter gleichermaßen.

 

Zuseher:innen, also insbesondere Eltern und Minderjährige, sind durch das Angebot eines möglichst einheitlichen Informationssystems in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen über die anzusehenden Inhalte zu treffen. Den Zuseher:innen sind ausreichende Informationen zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige zur Verfügung stellen, indem die Mediendiensteanbieter die Art der potentiell schädlichen Inhalte durch für die Nutzer:innen leicht verständliche Hinweise beschreiben.

 

Anders als für die Kennzeichnung (§ 39 Abs. 2 AMD-G bzw. § 10a Abs. 3 ORF-G) legt das Gesetz nicht fest, in welcher Art und Weise (im oder außerhalb des Programms) und zu welchem Zeitpunkt derartige Hinweise zu geben sind (siehe § 39 Abs. 4 AMD-G bzw. nur Verweis in § 10a Abs. 3 ORF-G). Dies zu definieren, wird dem neuen System der Selbstregulierung überantwortet.

 

Als ein geeignetes Informationssystem kommen nach den Materialien zu den o.a. gesetzlichen Bestimmungen jedenfalls ein System von Inhaltsdeskriptoren, akustische Warnhinweise, optische Kennzeichnung oder ein anderes Mittel, das die Art des Inhalts beschreibt, in Frage. Entscheidend ist die ausreichende und verständliche Information der Zuseher:innen.

 

2.1.3.  Stufe 3 – Regelungen zu ernsthaft entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten

 

Für Fernsehveranstalter gilt für Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft beeinträchtigen können, ein absolutes Ausstrahlungsverbot. Ihre Fernsehprogramme dürfen grundsätzlich keine derartigen Sendungen enthalten. Unter dieses „Totalverbot“ fallen jedenfalls die strafrechtlich verbotene Pornografie iSd Pornographiegesetzes (wie z.B. Darstellungen der Kinderpornografie, sexueller Gewalttätigkeiten und Sodomie) und Darstellungen grundloser Gewalttätigkeiten. Ebenfalls dieser Gruppe zuzurechnen sind Sendungsinhalte, die lebensbedrohende oder gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen verharmlosen oder fördern (Selbstmord, Selbstverstümmelung, Anorexia nervosa, Bulimie udgl.).

 

Für Abrufdienste gilt ein „totales“ Angebotsverbot hingegen nur für Inhalte, die gegen das Strafrecht verstoßen, z.B. gegen das oben erwähnte Pornographiegesetz oder z.B. gegen das Verbotsgesetz 1947. Soweit Inhalte angeboten werden, die zwar nicht gegen strafrechtliche Verbote verstoßen, aber als schwer jugendbeeinträchtigend zu qualifizieren sind (wie z.B. Darstellungen grundloser Gewalt), ist eine besonders wirksame Zugangskontrolle sicherzustellen (siehe dazu oben).

 

Für den ORF gilt in diesem Zusammenhang eine strengere Regelung: Der ORF darf generell keine ernsthaft entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalte anbieten, egal in welcher Form, also auch nicht im Rahmen eines Abrufdiensts.

 

2.2.       Alterseinstufungen

 

Das Ausmaß der Gefährdung für die Entwicklung von Minderjährigen, das sich aus dem Konsum audiovisueller Inhalte ergibt, ist maßgeblich abhängig von der konkreten individuellen Kompetenz und Schutzbedürftigkeit des einzelnen Kindes bzw. des oder der einzelnen Jugendlichen. Dieses besondere, höchst individuelle Ausmaß der Schutzbedürftigkeit des einzelnen Kindes bzw. des oder der einzelnen Jugendlichen ausreichend zu berücksichtigen und den Medienkonsum innerhalb der familiären oder einer anderen sozialen Gemeinschaft zu steuern, liegt in der ausschließlichen Verantwortung von Eltern und sonstigen Erziehungsberechtigten.

 

Jugendmedienschutz in Form von allgemeinen Maßnahmen, die sich an die gesamte Bevölkerung richten, muss demgegenüber zwangsläufig von Verallgemeinerung und von Durchschnittsbetrachtungen ausgehen.

 

Die gegenständlichen Richtlinien legen insoweit Maßnahmen fest und sprechen Empfehlungen aus, die sich nach der Gesamtheit von Kindern und Jugendlichen (Minderjährigen) richten und insoweit von einer Durchschnittsbetrachtung der Schutzbedürftigkeit ausgehen. Der zentrale Maßstab, wenn es darum geht, in pauschaler Weise die Geeignetheit oder Ungeeignetheit eines bestimmten Inhalts für typisierte, durchschnittliche Minderjährige zu bewerten, ist das konkrete Lebensalter des Kindes bzw. Jugendlichen.

 

Dieser Überzeugung folgend bauen nationale und internationale Jugendschutzsysteme, nicht nur im Medienbereich, sondern auch in vielen anderen Schutzbereichen des täglichen Lebens (Verkehr, Arzneimittel, Ausgangsregeln, Alkoholkonsum usw.), auf altersabhängigen Empfehlungen auf.

 

Auch die vorliegenden Verhaltensrichtlinien orientieren sich an dieser Grundüberzeugung und empfehlen ein System des Jugendmedienschutzes für den audiovisuellen Bereich, das maßgeblich auf Altersempfehlungen aufbaut.

 

International üblich und auch in Österreich schon seit vielen Jahren zur Anwendung gebracht sind die folgenden, an den FSK- und der FSF-Einstufungen orientierten Altersgrenzen, die in diesen Richtlinien empfohlen werden. Es werden fünf verschiedene Altersstufen (abhängig vom Erreichen des jeweiligen Geburtstags) unterschieden:

 

  • der Inhalt ist nicht für Minderjährige geeignet: ab 18
  • der Inhalt ist für Minderjährige ab 16 geeignet: ab 16
  • der Inhalt ist für Minderjährige ab 12 geeignet: ab 12
  • der Inhalt ist für Kinder/Minderjährige ab 6 geeignet:                 ab 6
  • der Inhalt ist für Kinder/Minderjährige jeden Alters geeignet: ab 0

 

Welche Art von Inhalten für die einzelnen Altersstufen als nicht geeignet erscheinen, weil sie zu Entwicklungsbeeinträchtigungen von Kindern oder Jugendlichen führen können, wird in Abschnitt 3. („das Einstufungssystem“) erläutert.

 

2.3.       Das Informationssystem in Grundzügen

 

Die Verhaltensrichtlinien sehen vor, dass Fernsehveranstalter frei zugängliche Sendungen, die außerhalb der empfohlenen Sendezeitgrenzen ausgestrahlt werden und insoweit für Minderjährige potentiell entwicklungsbeeinträchtigend sein können, zu Sendungsbeginn mit einfachen und leicht verständlichen Hinweisen auf die für die folgende Sendung empfohlene Altersstufe („Altershinweis“) und auf die Art der potentiellen Gefährdung durch die folgende Sendung versehen.

 

Im Grunde erfüllt der Altershinweis bereits den Zweck, in leicht verständlicher und komprimierter Form die Zuseher:innen darüber zu informieren, ob die folgende Sendung für Minderjährige eines bestimmten Alters geeignet (oder aber nicht geeignet) ist. Es ist davon auszugehen, dass sich Zuseher:innen durch den konkreten Hinweis auf die für die folgende Sendung empfohlene Altersstufe in aller Regel ausreichend informiert fühlen und der im Altershinweis zum Ausdruck gelangenden Expert:innenempfehlung vertrauen.[3]

 

Darüber hinaus gehende, zusätzliche Informationen zur konkreten Art der Gefährdung können im Einzelfall aus Sicht von Eltern oder Erziehungsberechtigten oder aus Sicht der Minderjährigen wünschenswert sein und für diese unter Umständen einen Mehrwert bieten. Vor diesem Hintergrund verpflichten diese Richtlinien Fernsehveranstalter dazu, den Altershinweis um einen zusätzlichen Hinweis auf die Art der potentiellen Gefährdung zu ergänzen (Gefährdungshinweis bzw. Gefährdungsdeskriptor).

 

Potentiell entwicklungsgefährdende Inhalte fallen in aller Regel in eine von vier GefährdungskategorienGewalt, Angst, Desorientierung oder Sex (siehe dazu im Detail Abschnitt 3.). Der Gefährdungshinweis ist daher so zu gestalten, dass zu Sendungsbeginn, ergänzend zum Altershinweis, jedenfalls auf eine dieser Gefährdungskategorien konkret hinwiesen wird (siehe dazu näher Abschnitt 3.).

 

Veranstaltern steht es frei, den Hinweis auf die Art der Gefährdung um zusätzliche, noch detailliertere Beschreibungen der potentiellen Gefährdung (z.B. „Gewalt – Gewalt in der Familie“, oder „Desorientierung – Alkoholmissbrauch“) zu ergänzen. Es sollte jedoch darauf geachtet werden, dass der Umfang zusätzlicher Angaben nicht zu einer Überforderung von Zuseher:innen führt und dass die leichte Verständlichkeit der bereit gestellten Information für den Durchschnittsbetrachter nicht dadurch verloren geht.

 

Die Richtlinien empfehlen Fernsehveranstaltern unverbindlich, den Altershinweis und den Hinweis auf die Art der Gefährdung (Gefährdungsdeskriptor) auch in den vom Veranstalter genutzten und von ihm kontrollierten programmbegleitenden Informationsquellen (wie z.B. dem EPG, Teletext, Online) leicht zugänglich bereitzustellen. Auf diese Weise können sich Nutzer:innen, die erst nach Sendungsbeginn in eine laufende Sendung einsteigen, ebenfalls über den potentiellen Gefährdungsgrad einer Sendung informieren (siehe dazu Abschnitt 2.4.3.2.).

 

Fernsehveranstalter sind gesetzlich verpflichtet, die („unverschlüsselte“) Ausstrahlung von Sendungen außerhalb der typischen Zeitzone durch akustische Zeichen anzukündigen oder bzw. (im Fall des ORF) und durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen. Diese gesetzliche Kennzeichnungspflicht besteht unabhängig von den hier beschriebenen Informationspflichten. Es steht den Veranstaltern frei, der Pflicht zur optischen Kennzeichnung während der gesamten Sendung (siehe § 39 Abs 2 AMD-G, § 10a Abs 2 ORF-G) dadurch nachzukommen, dass der Altershinweis durchgehend während der gesamten Sendung eingeblendet bleibt. Eine darüberhinausgehende zusätzliche optische Kennzeichnung ist unter diesen Umständen nicht erforderlich.

 

Anbieter von Abrufdiensten unterliegen ebenso wie Fernsehveranstalter der Pflicht zur Bereitstellung zusätzlicher Informationen über potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte. Für Anbieter von Abrufdiensten sprechen die Verhaltensrichtlinien in Abhängigkeit von der konkret gewählten Form der Zugangskontrolle eine mit Fernsehveranstaltern vergleichbare Empfehlung zur Bereitstellung von Altershinweisen und Gefährdungsdeskriptoren aus (siehe Abschnitt 2.5.3.).

 

2.4.       Verhaltensrichtlinien zum Kinder- und Jugendschutz im Fernsehen

 

Zur Sicherstellung eines ausreichenden Schutzniveaus, das die gesetzlichen Anforderungen erfüllt, haben die österreichischen Fernsehveranstaltern die folgenden Maßnahmen zu setzen. Dieses Schutzniveau baut auf dem gegenwärtigen Schutzstandard auf und erweitert ihn, um so in seiner Gesamtheit das vom EU-Richtliniengeber bzw. vom österreichischen Gesetzgeber erwartete höhere Schutzniveau zu gewährleisten.

 

2.4.1.  Bewertung und Einstufung der Programminhalte

 

Alle Sendungen bzw. Sendungsformate des Fernsehprogramms eines Veranstalters sind vor ihrer Ausstrahlung durch geeignete Prüfungen (Sichtung oder Prüfung von Inhaltsangaben, Drehbüchern o.ä.) zu bewerten. Ziel dieser Bewertung ist es, die Sendung bzw. das Sendungsformat auf Basis ihrer Inhalte einer bestimmten Altersstufe zuzuordnen (ab 0, 6, 12, 16 oder 18 Jahren). Das der Bewertung zugrundeliegende Bewertungsschema (Einstufungssystem in Abhängigkeit von Inhalt und Alterseignung) ist in Abschnitt 3. dargestellt.

 

Ausgenommen vom Erfordernis der Bewertung und Einstufung sind generell Nachrichtensendungen und Sendungen der politischen Information (gem. § 39 Abs. 8 AMD-G; § 10a Abs. 2 ORF-G) sowie in aller Regel Sportsendungen, da von Sportsendungen üblicherweise keine relevante Gefährdung von Minderjährigen zu erwarten ist.

 

Ebenfalls ausgenommen sind Werbesendungen, da Werbesendungen anderen, spezifischeren Schutzbestimmungen für Minderjährige unterliegen, deren Überwachung in den Tätigkeitsbereich einer anderen Selbstkontrolleinrichtung – jener des „Österreichischen Werberats“ – fällt.

 

Live-Sendungen lassen sich nicht vorab überprüfen. Um die Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen auch für Live-Sendungen zu gewährleisten, sind Fernsehveranstalter angehalten, eine Bewertung und Einstufung auf Basis der Sendungsplanung vorzunehmen. Unvorhersehbare Ereignisse, die eine potentielle Gefährdung von Minderjährigen bewirken können, lassen sich im Falle von Live-Sendungen nicht zu 100% wirksam vermeiden. Fernsehveranstalter müssen aber, soweit möglich und zumutbar, bereit sein, im Falle ungeplanter Sendungsverläufe, die ein erhöhtes Maß der Entwicklungsgefährdung darstellen, geeignete Gegenmaßnahmen zu setzen. Darunter fallen z.B. das Einschreiten der Moderatorin oder des Moderators, eine Veränderung der Kameraführung, ein Eingriff in die Audiowiedergabe, eine Sendungsunterbrechung oder andere, im Einzelfall geeignete Maßnahmen.

 

Soweit Sendungen oder Sendungsformate vor ihrer Ausstrahlung von einem anerkannten Expert:innengremium des Jugendschutzes bewertet wurden und auf dieser Basis einer bestimmten Altersstufe zugeordnet wurden, kann der Fernsehveranstalter diese Vorbewertung übernehmen und muss keine eigene Bewertung oder Einstufung vornehmen. Dies trifft häufig auf Sendungen mit fiktionalen Inhalten (Spielfilme, Serien) zu, für die der Veranstalter Ausstrahlungsrechte erworben hat, ist aber auch für andere Arten von Sendungen anerkannte Praxis (z.B. fiktionale Eigen-/Ko-/Auftragsproduktionen; nicht-fiktionale Sendungen, wie Dokumentationen udgl.). Als anerkannte Expert:innengremien des Jugendschutzes in diesem Sinn gelten insbesondere die österreichische Jugendmedienkommission (JMK), die deutsche Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) sowie die deutsche Freiwillige Selbstkontrolle Fernsehen (FSF).

 

Dem Fernsehveranstalter steht es frei, vorbewertete Sendungen oder Sendungsformate einer eigenen Bewertung zu unterziehen und zu einer Neubewertung der Alterseinstufung zu gelangen, z.B. wenn aufgrund einer Veränderung des Sendungsinhalts (z.B. Entfernung oder Unkenntlichmachung kinder- oder jugendgefährdender Darstellungen) eine Neubewertung tunlich ist, oder wenn die Vorbewertung des Expert:innengremiums vor so langer Zeit stattgefunden hat, dass relevante Gefährdungen aus heutiger Sicht nicht mehr im selben Ausmaß anzunehmen sind.

 

Bei der Übernahme von Einstufungen bei Sendungen ab einer Grenze von 12 Jahren oder älter von einem anerkannten Expert:Innengremium, die nicht den empfohlenen Altersgrenzen (siehe Punkt 2.2.) entsprechen (z.B. ab 14 Jahren), können in der Regel die empfohlenen Sendezeitgrenzen (dazu im Folgenden) der nächsthöheren Stufe zur Anwendung gebracht werden (also z.B. bei einer JMK-Einstufung ‚ab 14‘ die Sendezeitgrenzen wie für eine Sendung ‚ab 16‘). Eine Kennzeichnungspflicht (siehe 2.4.3.1) besteht nur dann, wenn eine kennzeichnungspflichtige Altersstufe (d.h. ab 12 Jahren im Tagesprogramm oder sonst ab 16 Jahren) erreicht oder überschritten wird.

 

2.4.2.  Empfohlene Sendezeitgrenzen

 

Um sicherzustellen, dass potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Programminhalte von den zu schützenden Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden können, haben die Fernsehveranstalter die folgenden Sendezeitgrenzen (in Abhängigkeit der sendungsspezifischen Alterseinstufung) einzuhalten.

 

Unterschieden werden die folgenden Sendezeitgrenzen, bei denen die Voraussetzungen der einzelnen typisierten Altersgruppen so zu berücksichtigen sind, dass Sendungen, die erst ab einem bestimmten Alter gesehen werden sollen, im Regelfall auch erst ab einer entsprechenden Uhrzeit ausgestrahlt werden.

 

Die Empfehlung entspricht weitestgehend der gegenwärtigen Praxis.

 

  • Tagesprogramm 6 bis 20 Uhr: Während des Tages ist das ausgestrahlte Programm kinder- bzw. jugendgerecht zu gestalten. Es werden daher nur Sendungen ausgestrahlt, die für Kinder und Jugendliche bis 12 Jahre oder, soweit das Wohl jünger Minderjähriger dem nicht entgegensteht, im Einzelfall ab 12 Jahren (jedoch nicht ab 16 Jahren) geeignet sind. Für Sendungen mit einer Alterseinstufung ab 12 Jahren besteht in dieser Zeitzone eine Kennzeichnungspflicht (kennzeichnungspflichtige Sendung).

 

  • Hauptabendprogramm 20 bis 22 Uhr: Während des Hauptabendprogramms werden Sendungen mit einer Alterseinstufung ab 12 Jahren oder darunter oder, soweit das Wohl jüngerer Minderjähriger dem nicht entgegensteht, im Einzelfall ab 16 Jahren (jedoch nicht ab 18 Jahren) ausgestrahlt. Für Sendungen mit einer Alterseinstufung ab 16 Jahren besteht eine Kennzeichnungspflicht (kennzeichnungspflichtige Sendung).

 

  • Spätabendprogramm 22 bis 23 Uhr: Während des Spätabendprogramms werden Sendungen mit einer Alterseinstufung ab 16 Jahren mit Kennzeichnung (kennzeichnungspflichtige Sendung) oder darunter

 

  • Nachtprogramm 23 bis 6 Uhr: Während des Nachprogramms können Sendungen aller Alterseinstufungen ausgestrahlt werden. Für Sendungen mit einer Alterseinstufung ab 16 oder ab 18 Jahren besteht eine Kennzeichnungspflicht (kennzeichnungspflichtige Sendung).

 

2.4.3.  Das Informationssystem

 

Das Informationssystem für Fernsehveranstalter verfolgt das Ziel, Zuseher:innen, insbesondere Eltern und Minderjährigen, in einfacher, leicht verständlicher Form ausreichende Informationen zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige zur Verfügung zu stellen. Über die potentielle Schädlichkeit von Sendungen, die außerhalb der empfohlenen Sendezeitgrenzen (s.o.) ausgestrahlt werden, haben die Fernsehveranstalter ihre Zuseher:innen – zusätzlich zur schon bisher gebräuchlichen akustischen und/oder optischen Kennzeichnung – mittels Hinweis auf die empfohlene Altersstufe (Altershinweis) und mittels Hinweis auf die Art des potentiell schädlichen Inhalts (Gefährdungshinweis) zu informieren. Zusätzlich zu diesen verbindlichen Elementen des Informationssystems wird Veranstaltern auf unverbindlicher Basis empfohlen, in programmbegleitenden Informationsquellen diese (und ggf. auch noch darüberhinausgehende) Informationen bereitzustellen.

 

Das Informationssystem besteht somit aus den folgenden Elementen:

 

  • Akustische und/oder optische Kennzeichnung: Veranstalter von „unverschlüsselt“ zugänglichen Fernsehprogrammen sind verpflichtet, die Ausstrahlung von kennzeichnungspflichtigen Sendungen durch akustische Zeichen anzukündigen oder (bzw. im Fall des ORF: und) durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen.

 

  • Altershinweis: Fernsehveranstalter haben kennzeichnungspflichtige Sendungen zu Sendungsbeginn mit einem einheitlichen und leicht verständlichen Hinweis auf die für die folgende Sendung empfohlene Altersstufe zu versehen (sog. „Altershinweis“).

 

  • Gefährdungshinweis: Fernsehveranstalter haben kennzeichnungspflichtige Sendungen darüber hinaus, ebenfalls zu Sendungsbeginn, mit einem einheitlichen und leicht verständlichen Hinweis auf die Art der Gefährdung („Gewalt“, „Angst“, „Desorientierung“ oder „Sex“) zu versehen.

 

  • Programmbegleitende Informationsquellen: Den Fernsehveranstaltern wird unverbindlich empfohlen, den Hinweis auf die empfohlene Altersstufe sowie die Information über die Art der Gefährdung (Gefährdungshinweis) und ggf. weitere Informationen und Erläuterungen in von ihnen genutzten und kontrollierten programmbegleitenden Informationsquellen (z.B. EPG, Teletext, Online) in geeigneter Weise zur Information bereitzustellen.

 

2.4.3.1   Kennzeichnung, Altershinweis und Gefährdungshinweis

 

Der Altershinweis besteht aus dem leicht und deutlich verständlichen Hinweis auf die für die beginnende (bzw. laufende) Sendung empfohlene Altersstufe. Der Altershinweis ist ein optisch eingeblendeter Hinweis auf die empfohlenen Altersstufe, wobei folgende Altersstufen und textliche Gestaltungen möglich sind: „ab 18“ bzw. „18+“‚ „ab 16“ bzw. „16+“‚ „ab 12“ bzw. „12+“. Die Altersstufen „ab 14“ bzw. „14+“, „ab 6“ bzw. „6+“ und „ab 0“ bzw. „0+“ können auf freiwilliger Basis eingeblendet werden (sog. Positivkennzeichnung). Siehe dazu oben Abschnitt 2.2.

 

Der Gefährdungshinweis besteht aus dem ebenfalls leicht und verständlich zu gestaltenden Hinweis auf die Art der potentiellen Gefährdung. Es ist zwischen folgenden potentiellen Risikofaktoren zu unterscheiden (siehe dazu Abschnitt 3.4.): Gewalt, Angst, Desorientierung, Sexualität. Der Hinweis hat demgemäß je nach Inhalt der Sendung bzw. des Sendungsformats jedenfalls einen der folgenden Hinweise zu enthalten: „Gewalt“, „Angst“, „Desorientierung“, „Sex“. Dieser Gefährdungshinweis ist optisch einzublenden. Um die leichte Verständlichkeit des Hinweises zu gewährleisten, hat der Hinweis textlich zu erfolgen.

 

Über den Altershinweis und den Gefährdungshinweis hinausgehende zusätzliche Informationen zu Beginn oder während des laufenden Fernsehprogramms sind zulässig (z.B. sinnvolle Zusätze zur Art der Gefährdung; siehe Bsp. in Abschnitt 2.3.), es ist jedoch darauf zu achten, dass der Umfang der zusätzlichen Angaben nicht zu einer Überforderung der Zuseher:innen führt und die leichte Verständlichkeit des Altershinweises und des Gefährdungshinweises für den oder die Durchschnittsbetrachter:in verloren geht. Zusätzliche Informationen erfolgen auf freiwilliger Basis.

 

Private Veranstalter können und der ORF muss in Ergänzung zur akustischen Kennzeichnung potentiell entwicklungsbeeinträchtigende, kennzeichnungspflichtige Sendungen auch während der gesamten Sendung optisch kennzeichnen.

 

Die Fernsehveranstalter kommen ihren Informationspflichten konkret wie folgt nach:

 

  • Zu Beginn einer kennzeichnungspflichtigen Sendung erfolgt eine akustische Kennzeichnung. Diese erfolgt in Form eines Tonsignals.

 

  • Zu Beginn jeder kennzeichnungspflichtigen Sendung erfolgt für die Dauer von jedenfalls 3 Sekunden die Einblendung des Altershinweises und die Einblendung des Gefährdungshinweises am oberen Rand des Bildschirms in leicht lesbarer Größe und Schriftart. Der Altershinweis kann gegenüber dem Gefährdungshinweis z.B. durch Wahl unterschiedlicher Größe oder unterschiedlichem Schriftbild oder Farbgebung hervorgehoben werden; umgekehrt sollte der Altershinweis aber nicht hinter den Gefährdungshinweis (oder hinter andere, zusätzliche, nicht verbindliche Hinweise) zurücktreten.

 

  • Der ORF kommt seiner Pflicht zur dauerhaften optischen Kennzeichnung während der Sendung durch eine durchgehende Einblendung des Altershinweises Für private Veranstalter ist dies auf freiwilliger Basis möglich.

 

  • Soweit private Veranstalter zu Beginn einer kennzeichnungspflichtigen Sendung keine akustische Kennzeichnung vornehmen, sind sie wie der ORF zu einer dauerhaften Einblendung einer optischen Kennzeichnung (Altershinweis) verpflichtet.

 

2.4.3.2   Zusätzliche Informationen

 

Veranstalter sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten und auf freiwilliger Basis Zuseher:innen, vor allem Eltern und Minderjährige, durch das Angebot zusätzlicher Informationen in die Lage versetzen, sich auch außerhalb der veranstalteten Fernsehprogramme über jugendschutzrelevante Inhalte zu informieren. Dies betrifft u.a. die folgenden Informationen bzw. Informationsquellen:

 

  • Fernsehveranstalter sollten, soweit aufgrund des Sendungsinhalts relevant, den Hinweis auf die empfohlene Altersstufe und den Hinweis auf die Art der Gefährdung auch in programmbegleitenden Informationsquellen für die Zuseher:innen leicht und frei zugänglich bereitstellen. Sie können diese Information auch um zusätzliche jugendschutzrelevante Informationen ergänzen, z.B. durch Genre-Hinweise (bspw. Drama, Action, Komödie, Krimi, Dokumentation, Show usw.).

 

  • Darüber hinaus kommen Maßnahmen der Positivkennzeichnung in Frage. So kann eine Zusatzalterskennzeichnung dazu dienen, besonders kinder-/ minderjährigentaugliche Sendungen aus dem Gesamtprogramm hervorzuheben, also z.B. im Tagesprogramm besonders kinderfreundliche, oder im Hauptabendprogramm besonders familienfreundliche Sendungen positiv zu kennzeichnen.

 

  • Besondere JugendschutzErläuterungen: Derartige Informationen dienen dazu, besonders interessierten Zuseher:innen die Möglichkeit zu geben, sich im Detail über Jugendschutzfragen zu informieren. Darunter fällt insbesondere eine ausführliche Erläuterung, welche Inhalte aus welchem Grund für Kinder oder Jugendliche geeignet bzw. aufgrund ihrer potentiell entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkungen nicht geeignet sind.

 

  • Als programmbegleitende Informationsquelle kommen insbesondere die folgenden vom Fernsehveranstalter genutzten und kontrollierten[4] Informationsquellen in Frage: EPG, Teletext, senderspezifische Online-Angebote.

 

2.5.       Richtlinien zum Kinder- und Jugendschutz für Abrufdienste

 

2.5.1.  Überblick über die Pflichten von Anbietern von Abrufdiensten

 

Für Anbieter von Abrufdiensten gilt wie für Fernsehveranstalter, dass Sendungen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, nur so bereitgestellt werden dürfen, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden können. Während Fernsehveranstalter dieser Anforderung jedenfalls durch die Wahl der Sendezeit nachzukommen haben, steht es den Anbietern von Abrufdiensten frei, zu entscheiden, ob sie sich ebenfalls eines Systems der Sendezeitgrenzen bedienen oder aber durch andere geeignete Maßnahmen ein vergleichbares Schutzniveau sicherstellen (siehe 2.5.2.).

 

Ebenso wie Fernsehveranstalter haben auch Abrufdiensteanbieter durch das Angebot eines geeigneten Informationssystems ihre Nutzer:innen, vor allem Eltern und Minderjährige, in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen über die anzusehenden Inhalte zu treffen (siehe 2.5.3.).

 

Soweit Anbieter von Abrufdiensten Sendungen zum Abruf anbieten, die als ernsthaft entwicklungsgefährdend zu qualifizieren sind, wie Darstellungen grundloser Gewalt oder die Verharmlosung von lebensbedrohendem und/oder gesundheitsgefährdendem Verhalten (siehe oben Punkt 2.1.), haben sie durch Maßnahmen wie Altersverifikationssysteme oder vergleichbare Maßnahmen eine besonders wirksame Zugangskontrolle sicherzustellen.

 

2.5.2.  Allgemeine Grundsätze für Abrufdienste

 

Der Gesetzgeber stellt es den Anbietern von Abrufdiensten frei, mit welchen konkreten Maßnahmen sie ein mit Veranstaltern vergleichbares Schutzniveau erreichen wollen. Er folgt dabei der Einsicht, dass es angesichts der Heterogenität der Abrufangebote der in Österreich tätigen Anbieter (in Bezug auf Inhalt, Ausgestaltung, Geschäftsmodell usw.) und angesichts der kontinuierlichen Weiterentwicklung der Technologien und Systeme der Zugangskontrolle zu Onlinemedienangeboten wenig zielführend ist, ein bestimmtes, für alle Anbieter einheitliches Zugangskontrollsystem zu definieren.

 

Diese Richtlinien folgen dieser Überzeugung. Den Abrufdiensteanbietern steht es frei, welches System oder welche Kombination von Zugangskontrollsystemen sie verwenden, solange das System insgesamt gewährleistet, dass Minderjährige für sie ungeeignete Inhalte in der Regel nicht wahrnehmen können.

 

Die folgenden zwei Umsetzungsbeispiele von Zugangskontrollsystemen sind jedenfalls geeignet, die gesetzliche Anforderung eines mit den Fernseh-Sendezeitgrenzen vergleichbaren Schutzes zu gewährleisten:

 

  • Verwendung eines Zugangskontrollsystems, das den Zugang zu potentiell entwicklungsgefährdenden Sendungen von der Eingabe eines Codes (Passwort, PIN oder dgl.) abhängig macht, über den üblicherweise nur volljährige Nutzer:innen verfügen (Code-gesichertes Zugangssystem);

 

  • Verwendung eines Systems der Kontrolle des Zugangs zu potentiell entwicklungsgefährdenden Sendungen über die Tageszeit des Abrufs (System der Abrufzeitgrenzen), das den Sendezeitgrenzen des Fernsehens nachgebildet ist.

 

Auf der Ebene der Einstufung und Bewertung von Sendungen und Sendeformaten im Hinblick auf ihr entwicklungsgefährdendes Potential gelten für Abrufdienste gemäß diesen Richtlinien die gleichen Prinzipien wie für Fernsehprogramme. Das bedeutet, dass das System der Alterseinstufung (siehe Pkt. 2.2.), die Bewertungs- und Einstufungsgrundsätze (siehe Punkt 2.4.1) und die konkrete Bewertung von Sendungen im Einzelfall (siehe Pkt. 3) sinngemäß auch für Abrufdienste gelten.

 

In der zentralen Fragestellung, ob und wenn ja aus welchen Gründen eine bestimmte Sendung oder ein bestimmtes Sendungsformat als kinder- oder jugendgefährdend einzustufen ist bzw. für welche Altersstufe die Sendung oder das Format geeignet ist, findet gemäß den Empfehlungen dieser Richtlinien eine Vereinheitlichung der Prüfmaßstäbe für alle in Österreich tätigen Abrufdienste statt.

 

2.5.2.1   Umsetzungsbeispiel: Zugangscode-gesichertes Kontrollsystem

 

Verwenden Anbieter von Abrufdiensten ein mit Zugangscode gesichertes Kontrollsystem, so machen sie den Zugang zu entwicklungsgefährdenden Sendungen von der erfolgreichen Eingabe von Zugangscodes (Passwort, PIN oder dgl.) abhängig, über die in der Regel nur volljährige Nutzer:innen des Abrufdienstes verfügen.

 

Die Wirksamkeit dieser Form der Zugangskontrolle ist vor allem von folgenden Faktoren abhängig:

 

  • Der Abrufdiensteanbieter stellt im Rahmen eines Anmelde-/Registrierungsverfahrens sicher, dass in der Regel nur volljährige Nutzer:innen Zugangscodes erhalten wählen und/oder ändern können. Den gesetzlichen Vorgaben entsprechend („üblicherweise“) muss diese Sicherheit nicht zu 100% gegeben sein. Da die Anmelde-/Registrierungsverfahren von Abrufdiensteanbietern aufgrund unterschiedlicher Geschäftsmodelle, Bündelung mit anderen Diensten usw. höchst unterschiedlich ausgestaltet sind, nehmen diese Richtlinien davon Abstand, eine spezifische Verfahrensausgestaltung zu empfehlen. Für eine positive Bewertung der Wirksamkeit des Verfahrens ist allein ausschlaggebend, ob unter vernünftigen Annahmen und durchschnittlich zu erwartenden Umständen davon ausgegangen werden konnte, dass nur eine volljährige Person den Zugangscode erwerben kann.

 

  • Die Wirksamkeit des Zugangskontrollsystems hängt auch davon ab, dass das System sicherstellt, dass potentiell kinder- und jugendgefährdende Sendungen und Formate nur altersstufengerecht angeboten werden. Ein System, dass nur auf einem Sicherungscode für Volljährige (also Sendungen ab 18) aufgebaut ist und keine weitere Differenzierung des Zugangs nach Altersstufen ermöglicht, muss daher entweder auch alle anderen entwicklungsgefährdenden Inhalte hinter die Zugangskontrollschranke stellen (also z.B. auch Sendungen ab 12 und ab 16 Jahren) oder aber eine andere Form der altersstufengerechten Zugangskontrolle schaffen. Für Sendungen ab 12 Jahren (oder darunter) ist der Einsatz eines Altershinweises ein geeignetes Mittel, diese Sendungen auch ohne Zugangscode zugänglich zu machen. Sendungen ab 16 Jahren sind hingegen durch ausschließliche Verwendung eines Altershinweises und der entsprechenden Zusatzinformation nicht ausreichend gesichert, da bei Sendungen ab 16 bzw. ab 18 Jahren von einem allgemein erhöhten Gefährdungspotential auszugehen ist. Diese Sendungen sind, in Ermangelung einer anderen geeigneten Zugangskontrollfunktion hinter die mit Zugangscode gesicherte Zugangsschranke zu stellen.

 

Nicht in die Verantwortung des Abrufdiensteanbieters fällt es, die allfällige Weitergabe des Zugangscodes innerhalb von Familien usw. zu kontrollieren. So wie im Fall der Sendezeitgrenzen im Fernsehen endet auch für Abrufdiensteanbieter ihre Verantwortung dort, wo sie ein geeignetes Zugangskontrollsystem für Eltern und sonstige Erziehungsberechtigte bereitstellen.

 

Verwendet ein Anbieter von Abrufdiensten ein mit Zugangscode gesichertes Kontrollsystem und stellt er im Rahmen des Anmelde-/Registrierungsverfahrens sicher, dass in der Regel nur volljährige Nutzer:innen Zugangscodes erhalten bzw. wählen und/oder ändern können, so trifft diesen Anbieter keine Verpflichtung, zusätzlich auch noch ein besonderes Informationssystem (Pkt. 2.5.3.) bereit zu stellen.

 

2.5.2.2   Umsetzungsbeispiel: System der Abrufzeitgrenzen

 

Verwenden Anbieter von Abrufdiensten ein Abrufzeitgrenzensystem, dürfen sie potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte nur zu Tageszeiten bereitstellen, zu denen sie von Minderjährigen der jeweils potentiell gefährdeten Altersstufe üblicherweise nicht wahrgenommen werden können.

 

Wählen Anbieter von Abrufdiensten diese Umsetzungsvariante, so haben sie sich an den für Fernsehveranstalter geltenden Sendezeitgrenzen zu orientieren und ihr Abrufangebot diesen Prinzipien entsprechend zu strukturieren. Es gelten die Sendezeitgrenzen, wie sie in Pkt. 2.4.2. oben dargestellt werden.

 

Sollen Sendungen mit einer Alterseinstufung ab 16 oder ab 18 Jahren auch untertags abrufbar gemacht werden, bedarf es einer gesonderten Kontrollschranke, z.B in Form eines Zugangscode-gesicherten Systems (siehe oben).

 

Das Angebot ernsthaft entwicklungsgefährdender Inhalte ist bei dieser Art der Zugangskontrolle ausgeschlossen.

 

2.5.3.  Besondere Informationspflichten für Abrufdienste

 

Nicht nur Fernsehveranstalter, sondern auch Abrufdiensteanbieter haben gemäß § 39 Abs. 4 AMD-G ihren Zuseher:innen ausreichende Informationen zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige zur Verfügung zu stellen, indem sie potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte durch leicht verständliche Hinweise beschreiben.

 

2.5.3.1   Grundstruktur des Informationssystems für Abrufdienste

 

Der Gesetzgeber hat es der Selbstkontrolleinrichtung der Mediendiensteanbieter überantwortet, ein geeignetes Informationssystem zu definieren.

 

Das Informationssystem, das diese Richtlinien für Fernsehveranstalter definieren (siehe Pkt. 2.4.3.), ist mit wenigen Modifikationen ebenso für die Verwendung im Rahmen von Abrufdiensten geeignet, denn es stellt sicher, dass Eltern, Erziehungsberechtigte und Minderjährige zu Beginn des Abrufs einer potentiell entwicklungsgefährdenden Sendung leicht verständliche und kompakte Hinweise auf den Gefährdungsgehalt der Sendung erhalten.

 

Anbieter von Abrufdiensten, die das Abrufzeitgrenzensystem verwenden (siehe Punkt 2.5.2.2.), haben die im Folgenden präzisierten Informationspflichten jedenfalls in Bezug auf Sendungen, die üblicherweise von Minderjährigen nicht verfolgt werden sollten und die zu Tageszeiten, die für den freien Abruf derartiger Sendungen aus Jugendschutzsicht weniger gut geeignet sind, einzuhalten.

 

Verwendet ein Abrufdiensteanbieter hingegen ein Zugangscode-gesichertes System (siehe Punkt. 2.5.2.1.), so sollte durch das Zugangscode-gesicherte System bereits ein ausreichend lückenloser Jugendschutz gewährleistet sein.

 

2.5.3.2   Ausgestaltung des Informationssystems für Abrufdienste

 

Im Interesse der österreichischen Zuseher:innen, insbesondere der Eltern und Minderjährigen, ist ein möglichst hoher Grad der Vereinheitlichung in der Ausgestaltung des Informationssystems anzustreben. Denn ein hohes Maß an Einheitlichkeit in der Ausgestaltung der Informationspflichten erleichtert im Einzelfall die Orientierung der Zuseher:innen, insbesondere wenn Abrufdienste verschiedener Anbieter genutzt werden.

 

Die im Folgenden definierten Regeln gelten für das Abrufangebot von Sendungen mit potentiell entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten, wenn nicht bereits durch die Wahl der Sendezeit (Abrufzeitgrenzensystem) oder durch sonstige technische Maßnahmen (insb. Verwendung eines Zugangscode-gesicherten Systems) dafür gesorgt wird, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen werden können (siehe § 39 AMD-G bzw. § 10a ORF-G).

 

Die Regeln orientieren sich an den entsprechenden Pflichten der Fernsehveranstalter, berücksichtigen aber, dass Abrufdiensteanbieter anders als Fernsehveranstalter keiner Pflicht unterliegen, potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte jedenfalls durch akustische Zeichen anzukündigen oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen (§ 39 Abs. 2 AMD-G).

 

Diese Richtlinien verlangen, dass Abrufdiensteanbieter, die das Abrufzeitgrenzensystem verwenden, in Entsprechung der Regeln für Fernsehveranstalter den Altershinweis und den Gefährdungshinweis bei kennzeichnungspflichtigen Sendungen (d.h. Sendungen mit Altersfreigabe ab 12 Jahren, die zwischen 6.00 und 20:00 Uhr zum Abruf angeboten werden, sowie bei Sendungen mit einer Altersfreigabe ab 16 Jahren oder ab 18 Jahren) bereitzustellen haben.

 

Altershinweis und Gefährdungshinweis sind folgendermaßen auszugestalten:

 

  • Der Altershinweis besteht aus einem leicht und klar verständlichen Hinweis auf die für die abgerufene Sendung konkret empfohlene Altersstufe. Der Altershinweis ist ein optischer Hinweis auf die empfohlene Altersstufe, der entweder direkt in das Bewegtbild integriert wird oder in unmittelbarer Nähe zum Bewegtbild auf dem von den Zuseher:innen genutzten Bildschirm als deutlich erkenn- und lesbarer Hinweis sichtbar Die inhaltliche Ausgestaltung richtet sich nach den für Fernsehveranstalter geltenden Grundsätzen. Wird der Altershinweis in das Bewegtbild integriert, richtet sich die optische Ausgestaltung nach den Grundsätzen, die auch für Fernsehveranstalter gelten. Wird der Altershinweis nicht in das Bewegtbild (sondern in den „Player“ oder in die „Sendungsbeschreibung“) integriert, ist darauf zu achten, dass die Information über die empfohlene Altersstufe für die Zuseher:innen jedenfalls leicht zugänglich ist.

 

  • Der Gefährdungshinweis besteht aus einem ebenfalls leicht und deutlich erkenn- und lesbar zu gestaltenden Hinweis auf die Art der Gefährdung. Seine Platzierung (in das Bewegtbild integriert oder in unmittelbarer Nähe zum Bewegtbild auf dem Bildschirm) richtet sich nach jener, die für den Altershinweis gewählt wurde. Die optische und inhaltliche Ausgestaltung hat sich sinngemäß an den für Fernsehveranstalter geltenden Grundsätzen zu orientieren.

 

2.5.3.3   Zusätzliche Jugendschutz-Informationen im Rahmen von Abrufdiensten

 

Anbieter von Abrufdiensten sollten im Rahmen ihrer Möglichkeiten und auf freiwilliger Basis Nutzer:innen ihrer Angebote, vor allem Eltern und Minderjährige, durch das Angebot zusätzlicher Informationen in die Lage versetzen, sich auch abseits des Abrufs einzelner Sendungen über jugendschutzrelevante Inhalte zu informieren. Dies betrifft u.a. die folgenden Informationen bzw. Informationsquellen:

 

  • Sendungsrelevante Altershinweise und sendungsrelevante Gefährdungshinweise sollten gemeinsam mit sonstigen sendungsrelevanten Informationen (z.B. Titel, Genre, Dauer usw.) leicht auffindbar in ihrem Angebotskatalog online bereitgestellt werden.

 

  • Altershinweise, Gefährdungshinweise und ggf. auch andere sendungsrelevante Zusatzinformationen sollten nach Möglichkeit auch in Form anderer Informationsquellen, soweit solche zur Information von Nutzer:innen über Inhalte des Abrufdienstes in Verwendung sind, bereitgestellt werden.

 

  • Abgesehen von konkret sendungs- und katalogrelevanten Jugendschutzinformationen ist es wünschenswert, dass Abrufdiensteanbieter auch allgemeine Jugendschutzinformationen, die interessierten Nutzer:innen die Möglichkeit geben, sich im Detail über Jugendschutzfragen zu informieren, in geeigneter Form bereitstellen. Dazu zählt insbesondere eine leicht auffindbare Beschreibung des vom Abrufdiensteanbieter verwendeten Jugendschutz-Zugangskontrollsystems.

 

2.5.4.  Angebot ernsthaft entwicklungsgefährdender Inhalte im Rahmen von Abrufdiensten

 

Soweit Anbieter von Abrufdiensten Sendungen zum Abruf anbieten, die als ernsthaft entwicklungsgefährdend zu qualifizieren sind, wie Darstellungen grundloser Gewalt oder die Verharmlosung von lebensbedrohendem und/oder gesundheitsgefährdendem Verhalten (siehe oben Punkt 2.1.3.), haben sie durch Maßnahmen wie Altersverifikationssysteme oder vergleichbare Maßnahmen eine besonders wirksame Zugangskontrolle sicherzustellen.

 

2.6.       Kinder- und Jugendschutz im Rahmen von Video-Sharing-Plattform-Angeboten

 

Auch Anbieter von Video-Sharing-Plattformen haben dafür zu sorgen, dass potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte ausschließlich so bereitgestellt werden, dass diese üblicherweise nicht von Minderjährigen verfolgt werden können. Sie können sich zu diesem Zweck z.B. eines Systems elterlicher Kontrolle („parental control“) bedienen.

 

Soweit sie auch Inhalte mit Darstellungen grundloser Gewalt oder Inhalte, die sich überwiegend auf die unreflektierte Darstellung sexueller Handlungen (i.S. v. § 39 Abs. 3 AMD-G) beschränken, zum Abruf bereitstellen, haben sie dafür Sorge zu tragen, dass diese Inhalte einer wirksamen Zugangskontrolle im Wege einer Altersverifikation unterliegen.

 

Darüber hinaus haben Anbieter von Video-Sharing-Plattformen jedenfalls eine leicht handhabbare und leicht verständliche Funktion bereit zu stellen, mit der potentiell entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte von den Nutzer:innen bewertet werden können.

 

Wenngleich der Jugendschutzstandard, den Anbieter von Video-Sharing-Plattformen aufgrund der europarechtlichen Vorgaben und der innerstaatlichen Umsetzung sicherzustellen haben, jenem entspricht, den Mediendiensteanbieter (Fernsehveranstalter und Abrufdiensteanbieter) gewährleisten sollen („schädliche Inhalte sollen üblicherweise nicht von Minderjährigen verfolgt werden“), hat sich der österreichische Gesetzgeber dagegen entschieden, das System der Selbstkontrolle auf die Angebote von Video-Sharing-Plattformen auszudehnen. Eine Vereinheitlichung des Jugendschutzstandards mit gleichen inhaltlichen Prüfungsmaßstäben (siehe Abschnitt 3.) und u.a. gleichen Altersstufen und Altersempfehlungen ist daher, zumindest im Moment aus Sicht des Vereins zur Selbstkontrolle audiovisueller Medienangebote zum Schutz von Minderjährigen nicht leistbar.

 

Vor dem Hintergrund der Zielsetzung, einen wirksamen Jugendschutz für österreichische Minderjährige über alle audiovisuellen Medienangebote hinweg sicherzustellen, ist aber ohnehin darauf hinzuweisen, dass gerade die besonders stark von Minderjährigen genutzten Online-Plattformen mit Video-Sharing-Funktionalitäten – allen voran die Plattformen von Facebook (inkl. Instagram und WhatsApp), Google (inkl. YouTube), Snapchat, Pinterest oder Bytedance (TikTok) – aufgrund des europarechtlichen Herkunftsstaat- bzw. Sendestaatprinzips der Aufsicht jenes EU-Mitgliedstaates unterliegen, auf dessen Hoheitsgebiet sie als niedergelassen gelten; dies ist für o.a. Plattformen jedenfalls (im Moment) nicht Österreich. Die Möglichkeit zur Festlegung verbindlicher österreichischer Jugendschutzstandards mit Wirksamkeit für die hier genannten Plattformen und deren Video-Sharing-Funktionalitäten ist daher derzeit nicht gegeben. Umso wichtiger ist es daher, dass Erziehungsberechtigte im Umgang von Minderjährigen mit Video-Sharing-Plattformen der eigenen Verantwortung und Beaufsichtigungspflicht nachkommen.

 

 

 

3.            Das Einstufungssystem (Inhalte und Alterseignung)

 

3.1.       Einleitung

 

Um das Ziel eines möglichst einheitlichen Jugendmedienschutzsystems in Österreich zu erreichen, bedarf es einheitlicher Bewertungsmaßstäbe, auf deren Basis die vom Mediendiensteanbieter verantwortlich gemachten Personen/Mitarbeiter:innen ihre Bewertungstätigkeit vornehmen.

 

In diesem Abschnitt werden zu diesem Zweck einheitliche Maßstäbe und Bewertungskriterien für den Jugendmedienschutz definiert. Die Erstellung dieses Teils der Verhaltensrichtlinien erfolgte unter weitgehender Berücksichtigung etablierter und von anerkannten Expert:innengremien des Jugendschutzes empfohlener Bewertungskriterien.[5]

 

3.2.       Zielsetzung

 

Die Altersbewertung einer Sendung oder eines Videos orientiert sich daran, ob der Inhalt der Sendung oder des Videos geeignet ist, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Personen zu beeinträchtigen.

 

Von einer relevanten Gefährdung ist dann auszugehen, wenn der audiovisuelle Inhalt Verhalten oder Werthaltungen als positiv oder akzeptabel darstellt, die im Widerspruch zum gesellschaftlichen Wertekonsens, also insbesondere den Grundwerten der Verfassung und den Grundprinzipien der österreichischen Gesellschaft, oder im Widerspruch zu österreichischen Gesetzen stehen.

 

Jugendschutz in audiovisuellen Mediendiensten zielt nicht darauf ab, bestimmte Themen zu tabuisieren, sondern darauf, den Wertekern oder die „Botschaft“ eines konkreten Angebots oder Teilangebots festzustellen und die möglichen Wirkungen auf Kinder oder Jugendliche zu beurteilen. Es geht also um Fragen wie: „Wie geht das Kind bzw. der oder die Jugendliche vermutlich mit diesem Inhalt um“ bzw. „was kann Kindern und Jugendlichen einer bestimmten Altersgruppe zugemutet werden“.

 

Die Annahme, dass ein konkretes Inhalte-Angebot geeignet oder eben nicht geeignet ist, die Entwicklung Minderjähriger zu beeinträchtigen, lässt sich nicht wissenschaftlich nachweisen. Sie muss allerdings plausibel und nachvollziehbar begründbar sein. Geschmackliche oder sonstige Qualitäten eines Angebots sind grundsätzlich irrelevant.

 

3.3.       Zu den einzelnen Altersstufen

 

3.3.1.  Altersstufe „ab 0“ – für Kinder/Minderjährige jeden Alters geeignet

 

Diese Empfehlung kommt nur für Inhalte in Betracht, die offensichtlich auch für Kinder unter 6 Jahren nicht entwicklungs- oder erziehungsbeeinträchtigend sind. Bei der Bewertung sind neben inhaltlich verstörenden Momenten vor allem auch die formale Gestaltung und Schnittfolge, die etwa auf eine sensorische Erregung abzielt, zu berücksichtigen. Aggressive Musikuntermalung und visuell überreizende Actionpassagen oder eine düstere Bildgestaltung können unter 6-Jährige in ihrer Wahrnehmung und Verarbeitung der Inhalte überfordern. Bei Kindergarten- und Vorschulkindern besteht iaR keine oder nur eine sehr geringe Unterscheidungsfähigkeit bzw. Trennung von Fantasie und Realität, beide Ebenen werden als „wirklich” erlebt. Grundsätzlich gilt: je jünger ein Kind ist, desto schneller ist es überfordert oder auch verängstigt.

 

3.3.2.  Altersstufe „ab 6“ – für Kinder/Minderjährige ab 6 Jahren geeignet

 

Kinder zwischen 6 und 12 Jahren sind bereits besser in der Lage, erregende Eindrücke zu verarbeiten und Spannungsmomente auszuhalten, sofern diese nicht zu intensiv wirken und rasch wieder aufgelöst werden. Kinder dieser Altersgruppe benötigen bei spannungsreichen Angeboten Erholungsphasen oder Aufteilungen in Episoden, die ihnen die Sicherheit geben, dass die Identifikationsfiguren Gefahr überwinden werden. Einzelszenen müssen nicht immer eine positive Auflösung erfahren, sie müssen aber verkraftbar sein.

 

Nicht für diese Altersgruppe zu empfehlen sind Dokumentationen und realistische inhaltliche Angebote, die kriegerische oder andere Gewalthandlungen zwar in ihrem jeweiligen geschichtlichen oder sozialen Kontext darstellen, aber letztlich für diese Altersgruppe unverständlich sind und sie verängstigen. Zeichentrickfilme werden hingegen als fiktiv erkannt und oft wird in Zeichentrickfilmen gezeigte Slapstick-Gewalt als unrealistisch empfunden.

 

Bei potenziell desorientierenden Inhalten ist zu klären, ob eine Vorbildwirkung oder der Eindruck von Normalität des gezeigten Verhaltens entsteht oder ob dem Kind verständliche Orientierungshilfen geboten werden.

 

3.3.3.  Altersstufe „ab 12“ – für Minderjährige ab 12 Jahren geeignet

 

Minderjährige ab 12 Jahren nehmen Inhalte in der Regel im Gesamtzusammenhang wahr und können einzelne Szenen in den Kontext des Gesamtinhalts einordnen und allenfalls für sich relativieren. Sie sind aufgrund ihrer Medienerfahrung in der Lage, kognitive Distanz zu ängstigenden Medieninhalten zu entwickeln, sofern diese nicht zu nah an ihrer Lebenswelt, zu drastisch oder zu eindringlich dargestellt werden. Die Bewertung von Einzelszenen rückt in den Hintergrund, während die Gesamtaussage des Inhaltsangebots und mögliche desorientierende oder gewaltbefürwortende Tendenzen in den Vordergrund rücken.

 

Minderjährige in diesem Alter besitzen bereits relativ gefestigte Verhaltensgrundmuster und Einstellungen, die nicht ohne Weiteres durch Medieninhalte veränderbar sind. Eine einseitige Orientierung an Figuren und Handlungsmustern ist daher wenig wahrscheinlich. Im Zuge der Pubertät gewinnen ideologische Perspektiven und Vorbilder, die Bildung und Etablierung der eigenen Geschlechts- und Genderidentität und die Abgrenzung der eigenen Gruppe gegenüber anderen an Bedeutung, denn die Jugendlichen lösen sich allmählich vom Elternhaus und sind für alternative Wertvorstellungen und Lebensweisen empfänglich.

 

Neben der Gesamtaussage eines Angebots sollte bei dieser Altersgruppe daher ein besonderes Augenmerk auf (Teil-)Angebote gerichtet werden, die gewaltbefürwortende oder sozialethisch desorientierende Verhaltensweisen befürworten. Insgesamt bedarf es eines Hinterfragens der im Inhaltsangebot vermittelten Botschaften und deren Wirkung auf diese Altersgruppe.

 

3.3.4.  Altersstufe „ab 16“ – für Minderjährige ab 16 Jahren geeignet

 

Bei Jugendlichen dieser Altersgruppe kann man von einer relativ hohen Medienkompetenz ausgehen. Minderjährige ab 16 Jahren verfügen iaR bereits über eine gefestigte Werteorientierung, die es ihnen ermöglicht, sich auch mit problematischen Medieninhalten kritisch auseinanderzusetzen.

 

Diese Altersgruppe kann auch drastischere Darstellungen von Gewalt im Kontext des Angebots oder Genres verarbeiten, sofern das Angebot nicht in seiner Gesamttendenz Gewalt als Mittel der Konfliktlösung propagiert. Neben der Gesamtaussage ist die Ausgestaltung und Jugendaffinität der Darstellung zu berücksichtigen. So ist davon auszugehen, dass Jugendliche in diesem Alter von Angeboten, deren Spannung wesentlich auf der Darstellung expliziter Gewalt beruht, hinsichtlich ihrer Wahrnehmung von realer Gewalt desensibilisiert werden können. Die Ästhetisierung von extremer Gewalt kann insbesondere in Verbindung mit für Jugendliche attraktiven Verhaltensmodellen eine Gewaltfaszination verstärken.

 

Desorientierende Inhalte und Passagen können von Minderjährigen dieses Alters vor dem Hintergrund des eigenen Wertehorizontes reflektiert werden, sofern das Angebot nicht in seiner Gesamttendenz gesellschaftliche Grundwerte in Frage stellt.

 

Audiovisuelle Inhalte, die einzelne Gruppen diskriminieren, Sexualität in einem menschenverachtenden Kontext darstellen, einem partnerschaftlichen Rollenverhältnis der Geschlechter entgegenstehen, vor allem aber Gewalt tendenziell verherrlichen, sind für diese Altersstufe ungeeignet.

 

3.3.5.  Altersstufe „ab 18“ – nicht für Minderjährige geeignet

 

Audiovisuelle Inhaltsangebote, die eine Vielzahl von detailliert geschilderten Gewaltszenen oder diskriminierenden Aussagen aneinanderreihen, ohne diese zu relativieren oder zu kommentieren, oder die Grausamkeiten selbstzweckhaft und/oder detailliert darstellen, oder die Gewalt als Mittel der Konfliktlösung propagieren, sind für Jugendliche ungeeignet.

 

3.4.       Risikofaktoren und ihre Wirkung auf Kinder und Jugendliche

 

Bei der Bewertung von audiovisuellen Inhalten zum Zwecke des Jugendmedienschutzes ist zu entscheiden, ob und, wenn ja, welche Beeinträchtigungen oder Gefährdungen von einem Medieninhalt ausgehen. Der Schwerpunkt der Prüfung und Bewertung liegt auf den folgenden Risikofaktoren und den von ihnen ausgelösten Wirkungen:

 

  • Gewalt: Ein hohes Risiko geht von Inhalten aus, die Gewalt darstellen bzw. thematisieren und die den Einsatz von physischer Gewalt als Mittel, Konflikte zu lösen oder Interessen durchzusetzen, nicht ablehnen, sondern legitimieren.

 

  • Übermäßige Angst: Ein ebenfalls hohes Risiko geht von Inhalten aus, die physische oder psychische Gewalt oder Bedrohungen beinhalten oder die Menschen als Opfer von Unfällen oder Katastrophen darstellen, da diese Inhalte bei Kindern anhaltende und nicht oder schwer zu verarbeitende Ängste auslösen können.

 

  • Desorientierung: Ein hohes Risiko ist auch bei Inhalteangeboten anzunehmen, die Einstellungen und Verhaltensweisen, die in Widerspruch zu den allgemeinen Grundhaltungen und Grundwerten der Gesellschaft in Österreich stehen, als normal und akzeptiert darstellen, wie z.B. antisoziales Verhalten, sexuelle Gewalt, Kriegsverherrlichung, gesellschaftliche Abwertung udgl.

 

  • Sexualität und Geschlechterbeziehungen: Es ist nicht Aufgabe des Minderjährigenschutzes, Kinder oder Jugendliche vor Darstellungen von Sexualität zu bewahren; vielmehr geht es darum, zu prüfen, ob ein konkretes Inhalteangebot geeignet ist, Einstellungen oder Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen der entsprechenden Altersgruppen nachhaltig zu beeinflussen.

 

Von diesen Risikodimensionen ausgehend, sind die u.a. Kriterien für die Bewertung audiovisueller Inhalte entwickelt worden. Insbesondere in diesem Bereich ist eine permanente Weiterentwicklung der Richtlinien aufgrund von Erfahrungen bei deren Anwendung zu erwarten und notwendig.

 

3.4.1.  Gewalt

 

Ein hohes Risiko entwicklungsbeeinträchtigender Wirkung geht von audiovisuellen Inhalten aus, die Gewalt darstellen oder thematisieren und die den Einsatz von physischer Gewalt als Mittel, Konflikte zu lösen oder Interessen durchzusetzen, nicht ablehnen, sondern legitimieren. Bei der Bewertung des Risikos von Entwicklungsbeeinträchtigungen ist u.a. auf die Unterscheidungsfähigkeit zwischen Realität und Fiktion, auf allfällige Vorbildwirkungen und behandelte Konfliktlösungsstrategien zu achten.

 

Für eine Freigabe in der Altersgruppe der Minderjährigen unter 12 Jahren sind Gewaltdarstellungen vor allem im Hinblick auf das Erzeugen übermäßiger Angst (siehe dazu unten Pkt. 3.4.2.) zu bewerten.

 

Für eine Freigabe in der Altersgruppe der Minderjährigen ab 12 Jahren sind in einer Gesamtbetrachtung vor allem eine gegenüber Gewalt kritische Aussage bzw. ein die Anwendung von Gewalt relativierender Kontext wichtig. Für die Bewertung von einzelnen Handlungssequenzen mit Gewaltdarstellungen ist vor allem die Perspektive der Darstellung relevant, also die Frage, ob die Gewalt aus einer Opferperspektive oder einer Täter:innenperspektive gezeigt wird, da die Wirkungen auf minderjährige Zuseher:innen höchst unterschiedlich sind. Während eine auf das Opfer fokussierte Darstellung für Zuseher:innen häufig zu emotionalem Stress führt und als unerträglich oder gar gewaltfördernd empfunden wird, ist die Wirkung auf die Zuseher:innen Mitgefühl erzeugend und führt letztlich eher zu einer Gewalt ablehnenden Haltung. Demgegenüber ist die Darstellung von Gewalt aus Sicht des Täters oder der Täterin für Zuseher:innen meist emotional leichter verträglich und setzt das Mitgefühl mit dem Opfer deutlich herab. Daher bewirken Darstellungen von Gewalt aus der Täter:innenperspektive tendenziell eine stärkere Akzeptanz von Gewaltanwendung bzw. ein Ansteigen von Gewaltbereitschaft.

 

Für eine Freigabe in der Altersgruppe der Minderjährigen ab 16 Jahren kommen grundsätzlich auch audiovisuelle Inhalte in Betracht, für die ein Wirkungsrisiko der Gewaltbefürwortung zu bejahen ist. Eine solche, Gewalt legitimierende Wirkung ist z.B. anzunehmen, wenn die Zentralfigur, mit der sich die Zuseher:innen aufgrund des inhaltlichen Verlaufs identifizieren, Gewalt ohne rechtliche Legitimation anwendet, damit erfolgreich ist und die Anwendung von Gewalt für diese Zentralfigur folgenlos bleibt, oder dann, wenn Gewalt im Laufe der Handlung ohne einen einordnenden Kontext dargestellt wird und/oder für die Zuseher:innen besonders spektakulär oder detailliert dargestellt wird.

 

Eine Freigabe in der Altersgruppe ab 18 Jahren ist dann zu wählen, wenn die Gewalt befürwortende Wirkung eines Angebots so eindringlich und suggestiv ist, dass davon auszugehen ist, dass auch ältere Minderjährige diese aufgrund ihrer noch eingeschränkten sozialen Erfahrung und ihrer noch geringeren sozial-ethischen Einordnungsfähigkeit nicht relativieren können.

 

3.4.2.  Übermäßige Angst

 

Das Erzeugen übermäßiger Angst ist ein Risiko, dass vor allem für die Freigabeentscheidung für jüngere Minderjährige zu beachten ist.

 

Ein hohes Risiko einer entwicklungsbeeinträchtigenden Wirkung geht von Inhalten aus, die physische oder psychische Gewalt oder Bedrohungen beinhalten oder die Menschen als Opfer von Unfällen oder Katastrophen darstellen, da diese Inhalte bei Kindern anhaltende und nicht oder schwer zu verarbeitende Ängste auslösen können.

 

Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass Kinder in einem angstfreien Umfeld aufwachsen. Würde man Kinder grundsätzlich von Angst auslösenden Inhalten fernhalten, so würden ihnen wichtige Lernfelder fehlen, in denen sie üben können, Ängste auszuhalten und zu überwinden. Handlungen, die Angst auslösen, und die daraus entstehende Spannung und Entspannung, wenn die Bedrohung beseitigt ist, sind auch für Kinder oft die Motivation, sich Sendungen anzuschauen. Die Fähigkeit, die Inhalte zu verarbeiten, entwickelt sich vor allem im Vorschul- und im Volksschulalter. Kinder lernen dramaturgische und genretypische Strukturen kennen und erfahren, dass die zentralen Handlungsfiguren, aus deren Perspektive sie die Handlung miterleben, Gefahren und Bedrohungen auch überwinden.

 

Zu beachten ist, dass die Einordnung dessen, was als bedrohlich eingestuft wird, zwischen Kindern und Erwachsenen erheblich divergiert: Kindern erscheint z.B. der Tod noch nicht als etwas Endgültiges und somit hat er für sie nicht dieselbe Bedeutung wie für erwachsene Zuseher:innen. Andererseits identifizieren sich Kinder stark mit anderen Kindern und auch mit Tieren, sodass bedrohliche Szenen, in die Kinder oder Tiere involviert sind, höhere Angstreaktionen auslösen, als wenn Erwachsene in der gleichen Situation gezeigt werden.

 

Für eine Freigabe in der Altersgruppe der Minderjährigen unter 6 Jahren ist eine Bewertung auf Basis der einzelnen Handlungssequenzen vorzunehmen, da Kinder diesen Alters Einzelszenen in aller Regel noch isoliert vom Gesamtzusammenhang wahrnehmen. Emotional belastende Einzelszenen wie Bedrohungen, Gewalthandlungen, heftiger Streit, Demütigung oder Verängstigung von Handlungsfiguren können auf Kinder dieser Altersgruppe verstörend und verängstigend wirken, weil Kinder in diesem Alter diese Sequenzen meist noch nicht in den größeren Handlungszusammenhang einordnen und so auflösen können.

 

Minderjährige der Altersgruppe ab 6 Jahren unterscheiden zwar noch nicht verlässlich in jedem Fall zwischen Realität und Fiktion, bauen aber ab dem Volksschulalter die Fähigkeit auf, sich von eindeutig fiktionalen Bedrohungssituationen zu distanzieren und Spannungen und leicht verängstigende Situationen in altersgerechten Handlungszusammenhängen auszuhalten. In den Entwicklungsphasen zwischen 6 und 12 Jahren lernen Minderjährige den Rahmen eines Gesamtinhalts und den der Realitätsnähe usw. besser einzuschätzen und so auch potenziell ängstigende Bilder zu verarbeiten. Parallel dazu nimmt die Bedeutung der unmittelbaren visuellen und akustischen Signale ab.

 

Ab 12 Jahren sind Minderjährige in aller Regel in der Lage, den Sendungskontext zu verstehen und durch die z.B. im „Happy End“ gegebene Überwindung der Gefahr zum Ende des Films ihre Ängste aufzulösen. Allerdings können auch auf Minderjährige in diesem Alter besonders realitätsnahe oder drastische Darstellungen noch entwicklungsbeeinträchtigend im Sinne einer nachhaltigen oder übermäßigen Angsterzeugung wirken.

 

3.4.3.  Desorientierung

 

Kritik an Sendungen oder Sendungssequenzen steht häufig im Zusammenhang mit Wertefragen. Erziehungsberechtigte oder andere Zuseher:innen befürchten etwa, dass sich die gezeigten Verhaltensweisen (z.B. derbe Sprache, aggressives Auftreten in Fernsehshows, die Behandlung sexueller Themen am Nachmittag oder Darstellungen, die Jugendliche bei Alkohol- oder Drogenkonsum zeigen) negativ auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken, zu gesellschaftlich unerwünschtem Verhalten anleiten und/oder insgesamt sozial desorientierend auf Minderjährige wirken.

 

Jugendschutz muss sich in dieser Hinsicht fragen, wie weit der Einfluss von Sendungen tatsächlich geht bzw. wahrscheinlich ist und welche Inhalte unter dem Gesichtspunkt einer pluralistischen Gesellschafts- und Werteordnung tatsächlich problematisiert werden sollten.

 

Wertorientierungen entwickeln sich im Vor- und Volksschulalter und festigen sich erst allmählich. Jüngere Kinder orientieren sich vor allem an den Werten ihrer Bezugspersonen; erst wenn sie älter werden, lernen sie, diese Werte zu hinterfragen, und beginnen, spätestens in der Pubertät, ihre eigenen Wertvorstellungen zu entwickeln. Werte werden durch prägende Erfahrungen verinnerlicht, entsprechend müssen sie den Menschen auf einer tiefen emotionalen Ebene erreichen. Wesentlich für die Entwicklung des eigenen Wertehorizonts ist das persönliche Umfeld. Bezugspersonen, Familie, Schule, Freund:innen usw. bieten eine Vielzahl verschiedener Wertemodelle, die sich widersprechen oder gegenseitig verstärken können. Auch in audiovisuellen Mediendarstellungen finden sich unterschiedliche Werte, Normen und Rollenmuster. Indem sie unterschiedliche gesellschaftliche Positionen vermitteln, spiegeln sie den Wertepluralismus der Gesellschaft.

 

Ein erhebliches Risiko entwicklungsbeeinträchtigender Wirkung ist bei Sendungsinhalten anzunehmen, die Einstellungen und Verhaltensweisen als normal und akzeptiert darstellen, die im Widerspruch zu den allgemein akzeptierten gesellschaftlichen Grundhaltungen und Grundwerten in Österreich stehen.

 

In die Gruppe derartiger Einstellungen und Verhaltensweisen fallen beispielsweise:

 

  • Darstellungen oder Aussagen, die Vorurteile, Diskriminierungen oder Gewalttaten kritiklos präsentieren, indem sie asoziales Verhalten, wie z.B. Intoleranz, soziale Ausgrenzung, Mobbing, Bullying (Aggression unter Schüler:innen), gewalttätiges Verhalten oder „Happy Slapping“ (gezieltes Schlagen von anderen zum Zwecke der Aufnahme von Filmen oder Bildern) als normal oder erstrebenswert erscheinen lassen;
  • Darstellungen oder Aussagen, die schematisierend Einzelne oder ganze Gesellschaftsschichten extrem abwerten oder Geschlechterrollen extrem limitieren;
  • Darstellungen oder Aussagen, die Verhaltensweisen mit hohem psychischem oder physischem Schädigungspotential befürworten, z.B. indem Druck erzeugt wird, durch kosmetische Operationen abstrakten Schönheitsidealen nachzueifern, oder indem Selbstverletzungen, Drogen- oder Alkoholkonsum einseitig positiv und als mit sozialem Statusgewinn verbunden dargestellt werden;
  • Darstellungen von schweren Unfällen, Krankheiten oder Schicksalsschlägen, die sensationsheischend präsentiert werden und geeignet scheinen, Kinder und Jugendliche gegenüber dem Leid anderer zu desensibilisieren;
  • Darstellungen von Kriegsgeschehen in einseitig positiver, unzureichend erläuterter Form, verbunden mit z.B. Waffenbegeisterung oder unreflektierter Heroisierung;
  • Darstellung von Inhalten, die in Widerspruch zu rechtsstaatlichen Prinzipien stehen und die z.B. Folter, Selbstjustiz oder Korruption als legitim darstellen und befürworten.

 

Inwieweit Medieninhalte geeignet sind, das Wertebild von Kindern und Jugendlichen negativ zu beeinflussen, hängt von der Fähigkeit der jeweiligen Altersgruppe ab, problematische Aussagen einzuordnen und zu hinterfragen. Wichtig ist auch, ob sie innerhalb der Sendung kritisch kommentiert werden. Wirkungsrelevant werden die oben genannten Inhalte bei einer unkritischen oder einseitig positiven Darstellung. Indem sie kritisch Stellung nehmen, können Moderationen in der Sendung oder eine Einordnung per Kommentar eine Distanzierung nahelegen und Orientierung bieten.

 

Für eine Freigabe in der Altersgruppe der Minderjährigen unter 12 Jahren ist wesentlich, ob eine Vorbildwirkung auf Kinder oder der Eindruck von Normalität des gezeigten Verhaltens entsteht oder ob Kindern verständliche Orientierungshilfen geboten werden.

 

Minderjährige ab 12 Jahren haben bereits relativ gefestigte Verhaltensgrundmuster und Einstellungen entwickelt, die nicht ohne Weiteres durch Medieninhalte veränderbar sind. Eine direkte Orientierung an Figuren oder Handlungsmustern ist daher unwahrscheinlich. Gleichzeitig werden ideologische Perspektiven und Vorbilder relevant, ebenso wie die Bildung und Etablierung der eigenen Geschlechts- und Genderidentität und die Abgrenzung der eigenen Gruppe gegenüber anderen. Für eine Freigabe in der Altersgruppe der Minderjährigen ab 12 Jahren ist vor allem auf die Gesamtaussage eines Programms zu achten.

 

Jugendliche ab 16 Jahren verfügen bereits über eine relativ gefestigte Werteorientierung, die es ihnen ermöglicht, sich auch mit problematischen Medieninhalten kritisch auseinanderzusetzen. Asoziale und/oder desorientierende Inhalte von Sendungsteilen können von ab 16-Jährigen vor dem Hintergrund des eigenen Wertehorizontes reflektiert werden, sofern das Programm nicht in seiner Gesamttendenz Grundwerte unserer Gesellschaft in Frage stellt; dabei ist besonderes Augenmerk auf die Jugendaffinität und Alltagsrelevanz der Darstellung zu richten.

 

3.4.4.  Sexualität und Geschlechterbeziehungen

 

Es ist nicht Aufgabe des Jugendschutzes, Kinder und Jugendliche vor Darstellungen von Sexualität zu bewahren. Das wäre auch kaum möglich, denn wir sind von sexuellen Reizen umgeben; sexuelle Darstellungen und Themen begegnen uns auf großflächigen Werbeplakaten, in Zeitschriften und Romanen, in Kinofilmen und nahezu allen Genres des Fernsehens. Die Vorstellungen von Sexualmoral und „angemessenen“ oder „altersadäquaten“ Informationen über Sexualität liegen in der Gesellschaft weit auseinander. Dementsprechend geht es im Jugendschutz nicht darum, durch Beschränkungen eine bestimmte gesellschaftliche Moral zu unterstützen. Auch sollen Minderjährigen nicht etwa Informationen über sexuelle Orientierungen oder Formen des Zusammenlebens von Sexualpartnern vorenthalten werden. Vielmehr gilt: Solange Menschen sexuell selbstbestimmt und in gegenseitiger Übereinkunft handeln, kann bei der Bewertung von Sexualität in den Medien größere Toleranz gewährt werden.

 

Auch in diesem Bereich des Jugendmedienschutzes liegen die Grenzen der Toleranz in den konkreten Wirkungsrisiken der audiovisuellen Darstellungen und Inhalte. Auf Basis grundrechtlicher und verfassungsrechtlicher Vorgaben sind bei der Thematisierung oder Darstellung von Sexualität die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit der Geschlechter und der Schutz von Ehe und Familie zu berücksichtigen. Ziel ist es, Kindern und Jugendlichen die Entwicklung zu einer eigenen, selbstbestimmten und partnerschaftlichen Sexualität zu ermöglichen. Entsprechend ist bei der Prüfung und Einstufung von audiovisuellen Inhalten zu entscheiden, welche Informationen und Darstellungen von der jeweiligen Altersgruppe nicht adäquat verarbeitet werden können, sodass sie ein verzerrtes Bild von Sexualität und Geschlechterbeziehungen vermitteln. So kann z.B. die Darstellung eines drastischen Sexualaktes jüngeren Kindern gewaltvoll erscheinen und sie ängstigen; die Verbindung von Sexualität und Leistungsdenken kann Ängste und Erwartungsdruck in Bezug auf Sexualität erhöhen; stereotype Geschlechterrollen, die als gesellschaftlich normal und akzeptiert dargestellt werden, können zur Entwicklung diskriminierender Verhaltensmuster führen. Wenn der Mensch zum Objekt herabgewürdigt wird, kann die Menschenwürde verletzt sein. Aus diesem Grund sind Angebote, die eine sexuelle Selbstbestimmtheit im Gesamtkontext verneinen, nicht für die Ausstrahlung im Fernsehen geeignet und untersagt.

 

Minderjährige der Altersgruppe unter 12 Jahren schöpfen ihr sexuelles Wissen aus verschiedenen Quellen des familiären wie schulischen Umfeldes sowie aus den Medien, die die verschiedensten Konzepte für Liebe, Sexualität und Beziehungsverhalten bereitstellen. Grundlegende Vorstellungen von partnerschaftlichem, familiärem und sexuellem Leben bilden sich im Vor- und Volksschulalter heraus. Sexualthematische Medieninhalte können für diese Altersgruppe nicht freigegeben werden, wenn sie grundlegende Werte wie Gleichberechtigung, Partnerschaftlichkeit, Selbstbestimmung oder die Bedeutung von Gefühlen in zwischenmenschlichen Beziehungen negieren oder die Bedeutung von Sexualität überhöhen, ohne den Minderjährigen eine verständliche relativierende Orientierung zu bieten. Im sprachlichen Bereich ist davon auszugehen, dass schon Volksschulkinder vulgäre Ausdrücke kennen und teilweise auch verwenden, um zu provozieren. Sind derartige Begriffe aber mit Diskriminierungen und herabwürdigenden oder aggressiven Impulsen verbunden und bleiben diese unwidersprochen, besteht die Gefahr, dass Kinder diese Form der Kommunikation als normale und akzeptierte Sprechweise und Haltung verstehen.

 

Minderjährigen der Altersgruppe ab 12 Jahren muss ein Freiraum zugestanden werden, damit sie die physische und psychische Reife entwickeln können, um selbst zu bestimmen, ob und in welchen Zusammenhängen sie sexuelle Beziehungen eingehen. Damit sich die Persönlichkeit frei entfalten kann, sollte kein Druck hinsichtlich erster sexueller Erfahrungen und der Entwicklung von Sexualität aufgebaut werden. Die 12- bis 15-Jährigen sollten ermutigt werden, sich nicht zu sexuellen Handlungen drängen zu lassen. Sie sollten nicht durch mediale Darstellungen dazu angehalten werden, sexuelle Beziehungen nur einzugehen, um den eigenen Selbstwert zu steigern. Deshalb sollte sich das vermittelte Bild von Sexualität und Beziehungsgeschehen an den Werten Gleichberechtigung, Toleranz und Partnerschaftlichkeit orientieren.

 

Nicht ab 12 Jahren, sondern frühestens ab 16 Jahren können Angebote freigegeben werden, wenn sie

 

  • stereotype Geschlechterrollen mit diskriminierenden Verhaltensmustern vermitteln und als normal und akzeptiert erscheinen lassen;
  • Lebenskonzepte, sexuelle Verhaltensweisen oder Praktiken als normal darstellen, die ihren Erfahrungen und Vorstellungen von Normalität entscheidend widersprechen;
  • sexuelles Verhalten und sexuelle Erfahrungen bei Jugendlichen als erstrebenswert überbetonen;
  • sexuelle Handlungen auf Drängen eines Partners oder einer Partnerin oder durch das Ausnutzen von Macht, durch Geld oder mit Gewalt darstellen und nicht relativieren bzw. negativ bewerten;
  • vulgäre, sexualisierte Sprache mit Herabwürdigung verbinden.

 

Viele Jugendliche ab 16 Jahren verfügen bereits über erste sexuelle Erfahrungen mit einem Partner oder einer Partnerin. Sie können die Alltagsrelevanz von Medieninhalten besser einschätzen und haben grundlegende Werteorientierungen entwickelt, die ihnen die Einordnung auch problematischer Darstellungen von Sexualität und Geschlechterbeziehungen ermöglichen. Trotzdem befindet sich die Sexualität in der Entwicklung und Jugendliche dieser Altersgruppe sind empfänglich für die verschiedensten Orientierungen. Im Interesse einer selbstbestimmten und gleichberechtigten Sexualität sollten sie auch für die Interessen und Grenzen anderer sensibilisiert werden.

 

Medieninhalte können daher nicht für 16-Jährige freigegeben werden, wenn sie

 

  • die oben angeführten Merkmale, die schon gegen eine Freigabe für unter 16-Jährige sprechen, in besonderem Maße bzw. eine Mehrzahl von ihnen aufweisen oder eine hohe Jugendaffinität besitzen – etwa durch attraktive Identifikationsfiguren;
  • bestimmte sexuelle Praktiken nicht nur darstellen und thematisieren, sondern durch den Gesamtkontext den Eindruck erwecken, sie seien gegenüber anderen Praktiken vorzuziehen;
  • die Bedeutung sexueller Lust für zwischenmenschliche Beziehungen überhöht darstellen und Gefühle sowie Verantwortung in Beziehungen ignorieren oder sogar negieren.

 

Zu beachten sind in diesem Zusammenhang insbesondere auch die absoluten Sendeverbote sowie die strafrechtlich relevanten Grenzen der Darstellung von Pornografie (siehe dazu oben Punkt 2.1.).

 

 

 

4.            Rechtsgrundlagen

 

4.1.       AVMD-RL 2018 – Erwägungsgründe

 

(19) Damit die Zuschauer, darunter auch Eltern und Minderjährige, in der Lage sind, informierte Entscheidungen über die anzusehenden Inhalte zu treffen, ist es notwendig, dass Mediendiensteanbieter ausreichende Informationen über Inhalte geben, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Dies könnte beispielsweise mithilfe eines Systems von Inhaltsdeskriptoren, eines akustischen Warnhinweises, einer optischen Kennzeichnung oder eines anderen Mittels erfolgen, das die Art des Inhalts beschreibt.

 

(20) Die angemessenen Maßnahmen zum Schutz Minderjähriger, die für Fernsehdienste gelten, sollten auch für audiovisuelle Mediendienste auf Abruf gelten. Dadurch sollte das Schutzniveau erhöht werden. Der Mindestharmonisierungsansatz ermöglicht es den Mitgliedstaaten, ein höheres Schutzniveau für Inhalte einzuführen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Die schädlichsten Inhalte, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, die aber nicht notwendigerweise eine Straftat darstellen, sollten den strengsten Maßnahmen, wie Verschlüsselung und wirksamen Systemen zur elterlichen Kontrolle, unterliegen; dies hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, strengere Maßnahmen zu erlassen.

 

4.2.       AVMD-RL 2018 – Art 6a

 

(1) Die Mitgliedstaaten ergreifen angemessene Maßnahmen, um zu gewährleisten, dass audiovisuelle Mediendienste, die von ihrer Rechtshoheit unterworfenen Mediendiensteanbietern bereitgestellt werden und die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, nur so bereitgestellt werden, dass sichergestellt ist, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht gehört oder gesehen werden können. Zu solchen Maßnahmen zählen beispielsweise die Wahl der Sendezeit, Mittel zur Altersverifikation oder andere technische Maßnahmen. Sie müssen in einem angemessenen Verhältnis zu der potenziellen Schädigung durch die Sendung stehen.

 

Die schädlichsten Inhalte wie grundlose Gewalttätigkeiten und Pornografie müssen den strengsten Maßnahmen unterliegen.

 

(2) Personenbezogene Daten von Minderjährigen, die von Mediendienstanbietern nach Absatz 1 erhoben oder anderweitig gewonnen werde, dürfen nicht für kommerzielle Zwecke wie etwa Direktwerbung, Profiling und auf das Nutzungsverhalten abgestimmte Werbung verwendet werden.

 

(3) Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Mediendiensteanbieter den Zuschauern ausreichende Informationen über Inhalte geben, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können. Hierzu nutzen die Mediendiensteanbieter ein System, mit dem die potenzielle Schädlichkeit des Inhalts eines audiovisuellen Mediendienstes beschrieben wird.

 

Zur Umsetzung dieses Absatzes unterstützen die Mitgliedstaaten die Nutzung der Koregulierung gemäß Artikel 4a Absatz

 

(4) Die Kommission ermutigt die Mediendiensteanbieter, bewährte Verfahren bezüglich auf Koregulierung beruhender Verhaltenskodizes auszutauschen. Die Mitgliedstaaten und die Kommission können für die Zwecke dieses Artikels die Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes der Union gemäß Artikel 4a Absatz 2 fördern.

 

4.3.       AVMD-RL 2018 – Art 4a

 

(1) Die Mitgliedstaaten unterstützen die Nutzung der Koregulierung und die Förderung der Selbstregulierung mithilfe von Verhaltenskodizes, die auf nationaler Ebene in den von dieser Richtlinie koordinierten Bereichen angenommen werden, soweit das nach ihrem jeweiligen Rechtssystem zulässig ist. Diese Kodizes müssen

 

  1. derart gestaltet sein, dass sie von den Hauptbeteiligten in den betreffenden Mitgliedstaaten allgemein anerkannt werden,

 

  1. ihre Ziele klar und unmissverständlich darlegen,

 

  1. eine regelmäßige, transparente und unabhängige Überwachung und Bewertung ihrer Zielerfüllung vorsehen und

 

  1. eine wirksame Durchsetzung einschließlich wirksamer und verhältnismäßiger Sanktionen vorsehen.

 

(2) Die Mitgliedstaaten und die Kommission können die Selbstregulierung durch Verhaltenskodizes der Union fördern, die von Mediendiensteanbietern, Video-Sharing-Plattform-Anbietern oder Organisationen, die solche Anbieter vertreten, erforderlichenfalls in Zusammenarbeit mit anderen Sektoren wie Industrie-, Handels-, Berufs- und Verbraucherverbänden oder -organisationen aufgestellt werden. Solche Kodizes müssen derart gestaltet sein, dass sie von den Hauptbeteiligten auf Unionsebene allgemein anerkannt werden und mit Absatz 1 Buchstaben b bis d in Einklang stehen. Die nationalen Verhaltenskodizes bleiben von den Verhaltenskodizes der Union unberührt.

 

In Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten erleichtert die Kommission im Einklang mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls die Erstellung von Verhaltenskodizes der Union.

 

Die Unterzeichner der Verhaltenskodizes der Union übermitteln die Entwürfe dieser Kodizes sowie Änderungen daran der Kommission. Die Kommission konsultiert den Kontaktausschuss zu den Entwürfen dieser Kodizes oder Änderungen daran.

 

Die Kommission macht die Verhaltenskodizes der Union öffentlich zugänglich und kann für sie in angemessener Weise Öffentlichkeitsarbeit betreiben.

 

(3) Es steht den Mitgliedstaaten weiterhin frei, ihrer Rechtshoheit unterworfene Mediendiensteanbieter zu verpflichten, ausführlicheren oder strengeren Bestimmungen nachzukommen, die mit dieser Richtlinie und dem Unionsrecht in Einklang stehen, einschließlich wenn ihre unabhängigen nationalen Regulierungsbehörden oder -stellen zu dem Schluss gelangen, dass sich ein Verhaltenskodex oder Teile desselben als nicht wirksam genug erwiesen haben. Die Mitgliedsstaaten melden solche Vorschriften ohne unangemessene Verzögerung der Kommission.“

 

4.4.       § 39 AMD-G – Schutz Minderjähriger

 

(1) Inhalte in audiovisuellen Mediendiensten, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, dürfen vom Mediendiensteanbieter nur so bereitgestellt werden, dass sie von Minderjährigen üblicherweise nicht wahrgenommen werden können.

 

(2) Im Fall von Fernsehprogrammen ist dafür jedenfalls durch die Wahl der Sendezeit zu sorgen. Die unverschlüsselte Ausstrahlung von Sendungen im Sinne des Abs. 1 im Fernsehen ist durch akustische Zeichen anzukündigen oder durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen. Fernsehprogramme dürfen keine Sendungen enthalten, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft beeinträchtigen können, insbesondere solche, die Pornografie oder grundlose Gewalttätigkeiten enthalten.

 

(3) Im Übrigen dürfen die schädlichsten Inhalte, wie insbesondere solche, die sich überwiegend auf die unreflektierte Darstellung sexueller Handlungen beschränken, oder die Sendungsteile beinhalten, die auf die Darstellung derartiger Inhalte reduziert sind, nur bereitgestellt werden, wenn durch Maßnahmen wie insbesondere Altersverifikationssysteme oder vergleichbare Maßnahmen der Zugangskontrolle sichergestellt ist, dass Minderjährige diese Inhalte üblicherweise nicht verfolgen können.

 

(4) Die Mediendiensteanbieter haben unter Berücksichtigung vorhandener Verhaltensrichtlinien einer Einrichtung der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger Richtlinien zu erstellen und zu beachten, wie sie den Zuschauern ausreichende Informationen zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige zur Verfügung stellen, indem sie die Art der in Abs. 1 aufgezählten Inhalte durch für den Nutzer leicht verständliche Hinweise beschreiben.

Die Mediendiensteanbieter haben zur Sicherstellung bundesweit einheitlicher Verhaltensrichtlinien die Initiativen zur Einrichtung und Effizienz der Selbstkontrolle (§ 32a KOG) zu unterstützen und dazu beizutragen.

 

(5) Der Regulierungsbehörde ist von einer Einrichtung der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger (§ 32a in Verbindung mit § 32b KOG) über den Stand der Umsetzung der Verpflichtung zur Bereitstellung von Informationen mittels Hinweisen (Abs. 4) durch die Mediendiensteanbieter zu berichten (§ 32a Abs. 2 Z 5 KOG). Die Regulierungsbehörde hat in ihrem Tätigkeitsbericht (§ 19 KOG) den Umsetzungsstand hinsichtlich der in Abs. 4 beschriebenen Verpflichtung darzustellen. Sie kann diesem Bericht eine für die Verbesserung der Wirksamkeit der Bereitstellung von Information erstellte Evaluierung anschließen.

 

(6) Stellt die Regulierungsbehörde fest, dass im Wege der Selbstkontrolle (§ 32a KOG) innerhalb von sechs Monaten ab Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 150/2020 keine Einrichtung der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger im Sinne von § 32a in Verbindung mit § 32b KOG gegründet wurde und innerhalb einer weiteren Frist von zwei Monaten auch keine Verhaltensrichtlinien zustande gekommen sind, die von einem repräsentativen Teil der Mediendiensteanbieter einschließlich des Österreichischen Rundfunks herangezogen werden, so hat sie innerhalb von sechs Monaten gerechnet ab der Feststellung der Regulierungsbehörde durch Verordnung festzulegen, in welcher Art und Weise alle Mediendiensteanbieter den Zuschauern ausreichende Informationen zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige zur Verfügung zu stellen haben, indem die Art der in Abs. 1 aufgezählten Inhalte durch für den Nutzer leicht verständliche Hinweise beschrieben wird.

 

(7) Vor Erlassung der Verordnung nach Abs. 6 ist den einschlägigen Interessenverbänden im Bereich der audiovisuellen Mediendienste und des Jugendschutzes sowie dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dem Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend, dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und dem Bundesministerium für Justiz Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Die so befassten Stellen haben der Regulierungsbehörde Vorschläge über die Ausgestaltung der Kennzeichnung zu unterbreiten. Die Regulierungsbehörde hat regelmäßig, zumindest im Abstand von zwei Jahren zu prüfen, ob weiterhin Bedarf für eine Regelung im Weg der Verordnung besteht. Gelangt sie nach Anhörung der vorstehend genannten Bundesministerien zum Ergebnis, dass im Wege einer den Vorgaben in § 32a KOG entsprechenden Selbstkontrolle ausreichende und effiziente Vorkehrungen getroffen sind, so hat sie die Verordnung aufzuheben.

 

(8) Die Anforderungen nach Abs. 1 gelten nicht für Nachrichten und Sendungen zur politischen Information. Sonstige gesetzliche Verbote bleiben unberührt.

 

4.5.       § 54d AMD-G – Verbotene und schädliche Inhalte

 

(1) Verbotene Inhalte im Sinne dieses Abschnitts sind solche, deren an die Öffentlichkeit gerichtete Bereitstellung auf einer Video-Sharing-Plattform

  1. einen der folgenden objektiven Tatbestände erfüllt: Pornografische Darstellungen Minderjähriger (§ 207a StGB), Aufforderung zu terroristischen Straftaten und Gutheißung terroristischer Straftaten (§ 282a StGB), Verhetzung (§ 283 StGB) oder
  2. soweit sie nicht schon unter § 283 StGB fällt, sonst eine Aufstachelung zu Gewalt oder Hass gegen eine Gruppe oder gegen ein Mitglied einer solchen Gruppe wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Orientierung darstellt.

 

(2) Schädliche Inhalte sind solche, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung Minderjähriger beeinträchtigen können.

 

4.6.       § 54e AMDG – Geeignete Maßnahmen

 

(1) Plattform-Anbieter haben

  1. ein System zu betreiben, durch das Nutzer mittels leicht auffindbarer, ständig verfügbarer und einfach handhabbarer Funktionen auf der Video-Sharing-Plattform
  2. a) dort verfügbare Inhalte für Dritte einsehbar bewerten können,
  3. b) Inhalte mitsamt den für eine Beurteilung erforderlichen Angaben dem Plattform-Anbieter melden können und
  4. c) den Nutzern erklärt wird, wie mit ihrer Meldung (lit. b) verfahren wird und was das Ergebnis des betreffenden Verfahrens war;
  5. dafür zu sorgen, dass gemeldete Inhalte unverzüglich entfernt werden oder der Zugang dazu gesperrt wird, wenn sich für sie aufgrund einer zumutbaren Beurteilung ohne weitere Nachforschungen ein klarer begründeter Verdacht ergibt, dass die gemeldeten Inhalte einen in § 54d Abs. 1 genannten Tatbestand erfüllen;
  6. zu gewährleisten, dass
  7. a) der Nutzer, der die Meldung erstattet hat und – soweit sich dieser ohne unverhältnismäßig großen Aufwand feststellen lässt – jener Nutzer, der den betreffenden Inhalt zum Austausch hochgeladen hat, ohne unnötigen Aufschub über die wesentlichen Entscheidungsgründe zur Erledigung der betreffenden Meldung einschließlich des allfälligen Zeitpunkts einer Entfernung oder Sperre in Kenntnis gesetzt werden und
  8. b) die in lit. a genannten Nutzer über die Möglichkeit der Teilnahme an einem Schlichtungsverfahren (§ 54f) informiert werden.

 

(2) Zur Erhöhung der Wirksamkeit der in Abs. 1 angeführten technischen und organisatorischen Maßnahmen hat der Plattform-Anbieter zu sorgen für

  1. die Erstellung und Veröffentlichung von einfach verständlichen, leicht auffindbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, in welchen auch die angebotenen Dienste beschrieben werden, mit verständlichen Erläuterungen über die für von Nutzern bereitgestellte Inhalte anwendbaren Bestimmungen;
  2. die Anzeige dieser Allgemeinen Geschäftsbedingungen an die Regulierungsbehörde, die diese AGB veröffentlicht;
  3. im Falle einer Meldung den davon betroffenen Inhalt, den Zeitpunkt seiner Erstellung sowie die zur Identifikation des Urhebers erforderlichen Daten zu Beweiszwecken, einschließlich zu Zwecken der Strafverfolgung, zu sichern und für die Dauer von längstens zehn Wochen zu speichern; diese Frist darf im Falle eines ausdrücklichen Ersuchens einer Strafverfolgungsbehörde im Einzelfall überschritten werden, wenn anderenfalls die Beweissicherung vereitelt wäre.

 

(3) Der Plattform-Anbieter hat darüber hinaus dafür zu sorgen, dass

  1. insbesondere durch leicht verständliche schrittweise Erklärungen oder Warnhinweise für die Nutzer beim Hochladen von Inhalten die Allgemeinheit unabhängig vom in Abs. 1 dargestellten Meldeverfahren ein umfassender Schutz vor Inhalten gemäß § 54d Abs. 1 gewährleistet wird;
  2. in § 54d Abs. 2 beschriebene audiovisuelle Inhalte, etwa im Wege von Systemen elterlicher Kontrolle, ausschließlich so bereitgestellt werden, dass diese üblicherweise nicht von Minderjährigen verfolgt werden können und solche Inhalte mittels einer leicht handhabbaren und leicht verständlichen Funktion von den Nutzern bewertet werden können, wobei jedenfalls Inhalte mit grundloser Gewalt und Inhalte, die sich überwiegend auf die unreflektierte Darstellung sexueller Handlungen (§ 39 Abs. 3) beschränken, einer wirksamen Zugangskontrolle im Wege einer Altersverifikation unterliegen müssen;
  3. er zur Sensibilisierung der Nutzer auf seiner Website ständig leicht und unmittelbar auffindbar entweder eigene Angebote zur Erhöhung der Medienkompetenz bereitstellt oder zumindest durch eine auf der Einstiegsseite der Website deutlich sichtbare Kennzeichnung und Gestaltung auf das von der RTR‑GmbH (§ 20a KOG) bereitgestellte Informationsangebot und ergänzend auf entsprechende Angebote Dritter hinweist;
  4. ein transparentes und leicht zu handhabendes Verfahren bereitstellt, mit dem Nutzer sich über die unzulängliche Umsetzung der Verpflichtungen nach Abs. 1 oder Abs. 3 Z 2 beim Plattform-Anbieter beschweren können.

 

(4) Bei in Sendungen oder nutzergenerierten Videos enthaltener oder diesen beigefügter audiovisueller kommerzieller Kommunikation (§ 2 Z 2 Satz 1 lit. a und Satz 2 und 3) hat der Plattform-Anbieter sicherzustellen, dass

  1. jedenfalls den in §§ 31, 33 bis § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 und 2 geregelten Anforderungen entsprochen wird, wenn diese vom Plattform-Anbieter selbst vermarktet, verkauft oder zusammengestellt wurde;
  2. mittels der nach Abs. 2 Z 1 erforderlichen AGB, soweit möglich, auch die Nutzer der Plattform dazu verhalten werden, bei den von ihnen auf die Video-Sharing-Plattform hochgeladenen Inhalten die §§ 31, 33 bis § 35 Abs. 1 und § 36 Abs. 1 und 2 einzuhalten;
  3. für den Nutzer, der einen Inhalt hochlädt, eine Funktion vorhanden ist, mit der er erklären kann, ob der Inhalt nach dem ihm zumutbaren Kenntnisstand derartige Kommunikation enthält;
  4. bei Inhalten, die solche Kommunikation enthalten, eindeutig erkennbar darauf hingewiesen wird, vorausgesetzt der Plattform-Anbieter hat wegen einer Erklärung nach Z 3 oder aus anderem Grund davon Kenntnis.

 

(5) Die Regulierungsbehörde kann durch Verordnung festlegen, welche Plattformen

  1. wegen geringer Umsätze und Nutzerzahlen oder
  2. wegen deren inhaltlicher Art und Ausrichtung

von den Verpflichtungen nach Abs. 1 Z 1 lit. a und c, Abs. 3 Z 1, 3 und 4 und Abs. 4 Z 3 und Z 4 oder auch Abs. 4 Z 1 und 2 ausgenommen sind, weil die Auferlegung dieser Maßnahmen nicht gerechtfertigt oder unverhältnismäßig wäre.

 

4.7.       § 62a AMD-G – Ausschluss eines Rechtsaufsichtsverfahrens

 

Die Unterlassung der Unterstützung einer Einrichtung der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger oder einer Einrichtung der Selbstkontrolle bei der kommerziellen Kommunikation stellt keine von Amts wegen zu verfolgende Rechtsverletzung dar, insoweit der betreffende Mediendiensteanbieter eigene Richtlinien im Sinne von § 35 Abs. 2, § 36 Abs. 3 und § 39 Abs. 4 erstellt hat und der Regulierungsbehörde jährlich bis 31. März des Folgejahres über die Wirksamkeit der Regelungen der Verhaltensrichtlinien berichtet. Die Möglichkeit von Beschwerden nach § 61 Abs. 1 Z 1 bis 3 bleibt unberührt.

 

4.8.       § 10a ORF-G – Schutz Minderjähriger

 

(1) Das Inhaltsangebot des Österreichischen Rundfunks darf keine Inhalte umfassen, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen ernsthaft beeinträchtigen können.

 

(2) Bei Inhalten, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung von Minderjährigen beeinträchtigen können, ist durch die Wahl der Sendezeit oder durch sonstige technische Maßnahmen, wie etwa Altersverifikationstools, dafür zu sorgen, dass diese Sendungen von Minderjährigen üblicherweise nicht gesehen oder gehört werden. Diese Anforderungen gelten nicht für Nachrichten und Sendungen zur politischen Information.

 

(3) Frei zugängliche Sendungen gemäß Abs. 2 sind jedenfalls am Beginn durch eindeutig als Warnhinweis identifizierbare akustische Zeichen anzukündigen und durch optische Mittel während der gesamten Sendung kenntlich zu machen. Der Österreichische Rundfunk hat zur Sicherstellung bundesweit einheitlicher Verhaltensrichtlinien Initiativen im Wege der Selbstkontrolle (§ 32a KOG) zu unterstützen und dazu beizutragen. § 39 Abs. 4 bis 6 AMD‑G ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass abweichend von Abs. 5 erster Satz der Österreichische Rundfunk in seinem Jahresbericht über die Maßnahmen zur Kennzeichnung und Inhaltsbeschreibung zu berichten hat.

 

(4) Sendungen, die sich ihrem Inhalt nach überwiegend an unmündige Minderjährige richten, dürfen keine Appelle enthalten, Rufnummern für Mehrwertdienste zu wählen.

 

4.9.       § 32a KOG – Einrichtungen der Selbstkontrolle

 

(1) Zur Unterstützung bei der Erreichung des Ziels der Sicherstellung der Einhaltung europäischer Mindeststandards durch die Anbieter von Inhalten kann die Tätigkeit anerkannter Einrichtungen der Selbstkontrolle gefördert werden.

 

(2) Als eine anerkannte Einrichtung der Selbstkontrolle gilt eine Einrichtung mit Rechtspersönlichkeit, die

  1. eine breite Repräsentanz der betroffenen Anbieter und umfassende Transparenz im Hinblick auf Entscheidungsgrundlage, Verfahren und Durchsetzung von Entscheidungen gewährleistet,
  2. Verhaltensrichtlinien und Verfahrensrichtlinien vorgibt, die von den Hauptbeteiligten allgemein anerkannt sind, und die Ziele der Selbstkontrolle eindeutig definieren,
  3. eine regelmäßige, transparente und jedenfalls außenstehende sowie unabhängige Kontrolle und Bewertung der Zielerfüllung sicherstellt,
  4. für eine wirksame Behandlung von Beschwerden und die Durchsetzung ihrer Entscheidungen einschließlich der Verhängung wirksamer und verhältnismäßiger Sanktionen im Fall von Verstößen gegen die Verhaltensrichtlinien sorgt und
  5. jährlich einen Bericht über ihre Tätigkeit, die festgelegten Ziele und die nach Z 3 und 4 getroffenen Maßnahmen und Entscheidungen erstellt und in geeigneter Weise veröffentlicht.

 

(3) Als Sanktionen im Sinne von Abs. 2 Z 4 gelten insbesondere

  1. die Veröffentlichung einer Entscheidung der Selbstkontrolleinrichtung;
  2. die Veröffentlichung der Empfehlung der Selbstkontrolleinrichtung für ein zukünftiges Verhalten;
  3. die Aberkennung eines nach den Richtlinien der Einrichtung verliehenen Gütesiegels oder einer Positivprädikatisierung;
  4. nach den Rechtsgrundlagen der Einrichtung mögliche Feststellungen einer Verletzung oder Abmahnungen.

 

(4) Alle vier Jahre hat die Einrichtung der Selbstkontrolle der Regulierungsbehörde mit einem Bericht zu ihrer Struktur und Arbeitsweise darzulegen, inwieweit sie zum Ziel der Sicherstellung der Einhaltung von Mindeststandards durch die Anbieter von Inhalten beigetragen hat.

 

4.10.   § 32b KOG – Förderung der Selbstkontrolle zum Schutz Minderjähriger

 

(1) Zur Unterstützung bei der Bewältigung des Aufwands der Selbstkontrolle in Bezug auf die Einstufung von Inhalten, die die körperliche, geistige oder sittliche Entwicklung Minderjähriger beeinträchtigen können (§ 39 AMD‑G), sind der KommAustria jährlich 0,075 Millionen Euro von den Einnahmen aus den Gebühren gemäß § 3 Abs. 1 RGG zusätzlich zum nach § 35 Abs. 1 zu leistenden Beitrag per 31. Jänner zu überweisen; § 35 Abs. 1 dritter und letzter Satz sind anzuwenden. § 33 Abs. 1 letzter Satz, Abs. 2, 3 und 4 sind anzuwenden.

 

(2) Neben den formellen Voraussetzungen des § 32a Abs. 2 ist inhaltliche Voraussetzung für die Gewährung einer Förderung für eine Einrichtung der Selbstkontrolle in diesem Bereich, dass die Verhaltensrichtlinien der Einrichtung Kriterien für ausreichende Informationen für den Zuschauer zur Beurteilung der potenziellen Schädlichkeit von Inhalten für Minderjährige durch eine für den Nutzer leicht verständliche Beschreibung der Art des Inhalts enthalten.

 

(3) Für die Erstellung der Verhaltensrichtlinie ist den einschlägigen Interessenverbänden im Bereich des Jugendschutzes sowie dem Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung, dem Bundesministerium für Arbeit, Familie und Jugend, dem Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz und dem Bundesministerium für Justiz Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

 

(4) Der KommAustria ist jährlich bis 31. März des Folgejahres über die Wirksamkeit der Regelungen der Verhaltensrichtlinien sowie über die Art, Anzahl und Erledigung von Beschwerdefällen zu berichten. Diese hat ihre Bewertung und Empfehlungen zur Wirksamkeit in ihrem Tätigkeitsbericht (§ 19) darzustellen.

[1] Diese Richtlinien versuchen, verschiedene Aspekte des Jugendschutzes im Bereich audiovisueller Medienangebote in Österreich zu konkretisieren und zu vereinheitlichen. Dies birgt die Gefahr in sich, dass die Richtlinien in Einzelfällen nicht ausreichend konkret oder zutreffend sind, was vor allem dann möglich erscheint, wenn es sich um neue audiovisuelle Angebots- oder Inhalte-Formate handelt. Nicht zuletzt deshalb werden die Richtlinien in regelmäßigen Zeitabständen überprüft und ggf. angepasst werden. Zu diesem Zweck plant der Verein zur Selbstkontrolle audiovisueller Medienangebote, in regelmäßigen Zeitabständen die Akzeptanz und Wirksamkeit der Richtlinien aus Sicht von Eltern und Erziehungsberechtigen zu überprüfen und auf Basis dieser Ergebnisse die Richtlinien zu überarbeiten. Anregungen, Ergänzungen oder aktuelle Forschungsergebnisse Dritter, die aus Sicht des Vereins nützlich sind, werden bei der Weiterentwicklung dieser Richtlinien ebenfalls berücksichtigt.

[2] Siehe insb. Art 4a, 6a und Art 28b RL 2018/1808.

[3] Dies ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie von Hasebrink, Schroeder, Schumacher: Kinder- und Jugendmedienschutz aus der Sicht der Eltern; in: Media Perspektiven 02/2012. S. 18-30, die das ZDF gemeinsam mit dem Hans-Bredow-Institut durchgeführt hat. Auf Basis einer breiten Elternbefragung zur Bekanntheit/Wirksamkeit von Jugendschutzmaßnahmen wurde Altersangaben und Altershinweisen im Fernsehen die allerhöchste Bekanntheit (über 95%) und – neben den Sendezeitgrenzen – die höchste Nutzung (über 75%) und Wirksamkeit (über 60%) zugesprochen.

[4] Als nicht vom Mediendiensteanbieter kontrollierte Informationsquelle gelten beispielsweise Programmzeitschriften und vergleichbare Online-Programmführer.

[5] Als Quellen wurden u.a. die Richtlinien zur Anwendung der Prüfordnung der Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen e.V. (https://fsf.de/data/user/Dokumente/Downloads/FSF_Richtlinien.pdf), die Empfehlung der Jugendmedienkommission zur Alterskennzeichnung von Filmen und vergleichbaren Bildträgern in Österreich (https://www.bmbwf.gv.at/Themen/schule/schulpraxis/ugbm/jmk.html) und die Prinzipien der Alterseinstufung und Kennzeichnung der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (https://www.fsk.de) herangezogen.

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